«Habe lange überlegt, ob ich die Rolle annehme»
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Baufirma-Chef spielt «Fricker»:«Habe lange überlegt, ob ich die Rolle annehme»

Bauboom dank Lonza-Milliarden
«Das Oberwallis ist nicht mehr in der Pampa der Schweiz»

Die Milliarden-Investitionen der Lonza in Visp VS lösen im Oberwallis einen gewaltigen Bauboom aus. Aktuell herrscht akute Wohnungsnot. Doch in den nächsten drei Jahren kommen über tausend neue Wohnungen auf den Markt. Kann das gut gehen?
Publiziert: 16.08.2022 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2022 um 08:15 Uhr
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«So einen Bauboom haben wir im Oberwallis noch nie erlebt», sagt Bauunternehmer und «Tschugger»-Star Olivier Imboden.
Foto: Thomas Meier
Martin Schmidt

Wer im Oberwallis eine Wohnung sucht, ist nicht zu beneiden – ganz besonders nicht in Brig-Glis, Naters oder Visp. In den drei grössten Oberwalliser Gemeinden herrscht akute Wohnungsnot. In Facebook-Gruppen türmen sich die Suchinserate. Die Verzweiflung ist so gross, dass einzelne Interessenten Wohnungen gar ohne Besichtigung übernehmen wollen.

Überall stehen Baukräne. Reihenweise werden neue Wohnblöcke hochgezogen. «So einen Bauboom haben wir im Oberwallis noch nie erlebt», sagt Olivier Imboden (51), Geschäftsführer der Ulrich Imboden AG. Der Firmenchef hat in der SRF-Serie «Tschugger» den Bau-Ganoven und Drogenbaron Fricker gespielt und so nationale Bekanntheit erlangt.

Baufirmen am Anschlag

Dass auf dem Oberwalliser Immobilienmarkt derart die Post abgeht, hat vor allem einen Grund: die Lonza. Der Chemie- und Pharmakonzern investiert am Standort in Visp seit Jahren Milliarden. Mittlerweile arbeiten dort 4500 Festangestellte und 1500 Temporäre. Allein letztes Jahr hat der Konzern in Visp 1500 neue Mitarbeiter eingestellt, die Wohnraum benötigen.

In Visp befinden sich derzeit 400 Wohnungen im Bau, 100 stehen kurz vor dem Baubeginn und weitere 250 stecken im Bewilligungsprozess. Auch in Naters und Brig-Glis sind aktuell knapp 600 Wohnungen im Bau, bewilligt oder auf dem Weg dahin. Zudem liegen bei den Gemeinden für mehrere Hundert Wohnungen Voranfragen auf dem Tisch.

Der Boom löst im Oberwallis auch Ängste aus. Viele Leute stellen sich die Frage, ob alles zu schnell geht und ob das noch nachhaltig sein kann. «Das lässt sich kaum voraussagen. Es kann schon sein, dass derzeit zu viel gebaut wird», sagt Olivier Imboden.

Lonza gräbt Gewerbe die Fachkräfte ab

Die Baufirmen können die enorme Nachfrage der Investoren kaum decken. «Wir sind voll ausgelastet und können gar nicht für mehr Projekte Offerten einreichen», sagt Olivier Imboden.

Gleichzeitig leiden die Baufirmen unter einem grossen Fachkräftemangel. «Suche ich einen neuen Maurer, kann ich mir ein Inserat sparen. Darauf kriege ich keine Bewerbungen», so Imboden. Er beschäftigt gut 400 Mitarbeitende. Sucht er neue Leute, ist Kreativität gefragt. Dann müsse man auch mal im Ausland aktiv werden und vor allem mit dem Image eines attraktiven Arbeitgebers locken können.

Aber auch dann bleibt es schwierig. «Gute und erfahrene Schreiner und Maschinisten wechseln gern in die Lonza. Wir bilden die Leute aus, und dann sind sie weg», sagt Hans Ritz (65). Er ist Inhaber des Ritz Architektur Büros und der Ritz Immobilien AG und mit seinen 200 Angestellten im Bau, Verkauf und in der Vermietung tätig.

Wie Blick weiss, offerieren einige Baufirmen bei Ausschreibungen auf dem Lonza-Gelände gar nicht mehr. Zu gross ist ihre Angst, dass ihre Mitarbeiter vor Ort beim Chemie- und Pharmakonzern anheuern, mit dessen Löhnen die meisten Oberwalliser KMU nicht mithalten können.

Massive Preissteigerungen bei Mieten und Eigentum

Die grosse Zuwanderung und die hohe Nachfrage nach Wohnungen befeuern die Immobilienpreise: Für eine 4½-Zimmer-Wohnung mit 140 Quadratmetern werden rasch 800'000 Franken und mehr fällig. Grosse Attikawohnungen werden auch mal für 1,3 Millionen verkauft. Das war in der Region vor einigen Jahren noch undenkbar. Die Käufer schreckt das kaum ab. «Was wir bauen, können wir sehr schnell verkaufen», betont Hans Ritz.

Auch die Mieten haben durch das knappe Angebot deutlich zugelegt. «3½- und 4½-Zimmer-Wohnungen kosten an guter Lage und mit hochwertiger Ausstattung über 2000 Franken im Monat und 2½-Zimmer-Wohnungen bis zu 1500 Franken», sagt Silvan Eyer (35), Inhaber und Geschäftsführer der Eyer Immobilien AG. Leute mit tiefem Einkommen oder Sozialhilfeempfänger finden kaum mehr bezahlbaren Wohnraum.

Werden in den nächsten Jahren tatsächlich über 1000 Wohnungen neu gebaut, dürfte sich der überhitzte Wohnungsmarkt aber wieder abkühlen. «Mit dem wachsenden Angebot dürften die Mietpreise wieder unter Druck geraten», sagt Silvan Eyer. Auch das Wachstum der Lonza wird an Fahrt verlieren.

Mieter dürfen sich aber nicht zu früh freuen. «Auf der anderen Seite sprechen die Rohstoffpreise auf dem Bau und die steigenden Hypothekarzinsen für steigende Mieten», gibt Eyer zu bedenken.

Quartiere werden abgerissen und neu gebaut

Die Lonza und der Bauboom verändern die Region tiefgreifend. Mit den vielen ausländischen Fachkräften ist der Ausländeranteil in Visp innerhalb von zwei Jahren von 23 auf 27 Prozent gestiegen. Auf Spielplätzen und in Restaurants ist immer häufiger Englisch zu hören.

Und auch das Erscheinungsbild der Gemeinde wandelt sich. Ganze Quartiere werden neu geplant, Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Beim Bahnhof will die Lonza einen Tower in die Höhe ziehen.

Bereits 2007 erlebte die Region nach der Eröffnung des Neat-Basistunnels in Visp einen gewaltigen Entwicklungsschub. Damals geschah dies jedoch ziemlich unkoordiniert: In der Oberwalliser Agglomeration wurde ein Wohnblock nach dem anderen auf die grüne Wiese gebaut – ohne Quartierpläne und ohne Konzept. Das Quartier Visp-West wird seither von Architekten gern als Beispiel für eine missglückte Raumplanung angeführt. Das will die Gemeinde nun unbedingt vermeiden.

Seit der Neat-Eröffnung ist die Visper Bevölkerung um 25 Prozent auf heute 8200 Einwohner angewachsen. «Dank dem Tunnel leben wir im Oberwallis nicht mehr in der Pampa der Schweiz. In einer Stunde ist man in Bern, in zwei in Zürich», sagt Bauunternehmer Olivier Imboden.


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