Basler Gastwirt ist verzweifelt
«Mussten wegen beleidigtem Bundesbeamten schliessen»

Das Basler Restaurant L’Ambasciatore kriegt vom Bund keinen neuen Mietvertrag. Schuld sei ein nachtragender Beamter, sagt der Wirt.
Publiziert: 23.04.2023 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2023 um 10:02 Uhr
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Wirt Mohran Jouini (37) musste sein Restaurant schliessen.
Foto: Nathalie Taiana
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Das Restaurant L’Ambasciatore in der Basler Innenstadt lief auf Hochtouren – bis Anfang Januar. Seither sind die Türen verschlossen. Basel wundert sich, Wirt Mohran Jouini (37) ist ratlos: «Es fehlt eine einzige Unterschrift, um unser Restaurant wieder zu öffnen. Aber der Vermieter weigert sich.»

Gemeint ist der Bund, der im Herbst 2020 einen langfristigen Mietvertrag mit Jouini einging. Der Gastronom investierte knapp 700'000 Franken in das neue Restaurant – mit Erfolg: Das Lokal war jeden Abend rappelvoll.

«Ausgerechnet der Bund war als Vermieter zu keinem Kompromiss bereit»

Dann kamen die zweite Corona-Welle und ein neuer Beizen-Lockdown. Der Bundesrat versprach grosszügig Hilfe in Form von Notkrediten und Härtefallentschädigungen. Zusätzlich rief er die Immobilienbesitzer zu Mietkompromissen auf.

In Basel teilten sich Mieter, Eigentümer und Kanton die Kosten. Auch Mohran Jouini überwies nur noch ein Drittel der Miete für das geschlossene L’Ambasciatore. Doch das zuständige Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) wollte von einer Mietreduktion nichts wissen. «Ausgerechnet der Bund war als Vermieter zu keinem Kompromiss bereit», sagt Jouini. «Doch das konnten wir unmöglich stemmen.»

Der Gastronom rief Ronald Wölfli an, den zuständigen Leiter Liegenschaften beim BBL. Doch der Beamte bestand auf der vollen Miete. Die konnte Jouini nicht zahlen. Sieben Monate später schickte ihm Wölfli die Kündigung.

Restaurant wurde mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft

Das Amt hatte allerdings nicht mit Jouinis Kundschaft gerechnet. Die setzte sich für den Erhalt des Restaurants ein. Prominente Politiker – darunter ein Basler Regierungsrat – intervenierten bei BBL-Direktor Pierre Broye (59). Dann die Wende: Das Amt nahm die Kündigung zurück. Das BBL begründet gegenüber SonntagsBlick: «Die Kündigung erfolgte erst, nachdem der Mieter auf mehrere Kooperationsangebote des BBL nicht reagiert hatte. Auf Ersuchen des Mieters wurde die Kündigung später im Sinne eines letzten Versuches zu einer einvernehmlichen Lösung zurückgezogen.»

Das L’Ambasciatore öffnete seine Türen wieder. Und lief so geschmiert wie zuvor. Es hagelte Preise und Auszeichnungen, darunter 14 Gault-Millau-Punkte.

Administrationsfehler wurde zum Verhängnis

Dann aber stolpert Jouini über einen Administrationsfehler. Anfang 2023 erfährt er: Die Firma, über die er das Restaurant führt, steht vor dem Konkurs. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil die Adressen von Firma und Lokal nicht übereinstimmen. Das hat das Handelsregisteramt zufällig bemerkt und die Firma schriftlich informiert. Doch das Amt schickte den Brief an die alte Adresse. Und weil es sich um gerichtlichen Schriftverkehr handelte, leitete die Post das Schreiben nicht weiter, sondern zurück an das Amt.

Dieses tat, was das Protokoll bei einem sogenannten fehlenden Rechtsdomizil vorsieht: Es eröffnete ein Liquidationsverfahren. Weil Jouini das nicht wusste, konnte er nicht eingreifen. Als er schliesslich davon erfährt, ist es zu spät. «Die Firma wird aus formalen Gründen Konkurs gehen», sagt Jouini.

Deshalb überschrieb er mit dem Einverständnis des Basler Konkursamts die Restaurant-Verträge auf eine andere Firma. Die ist im Besitz seiner Frau, aber geschäftlich unabhängig. «So hätten wir den Betrieb des L’Ambasciatore nahtlos weiterführen können», sagt Jouini.

Neuer Mietvertrag kam nicht zustande

Hätten – denn ein zentraler Vertrag fehlt: Ronald Wölfli vom BBL lehnt einen neuen Mietvertrag mit der Firma von Jouinis Frau ab. Sie bietet Wölfli Garantien und eine hohe Kaution an, sogar einen Vertrag auf Probe, um allfällige Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. Doch Wölfli lehnt ab. Auch auf das Angebot eines anderen Unternehmers, das Restaurant zu übernehmen, geht er nicht ein. Ende Januar 2023 muss Jouini das L’Ambasciatore schliessen.

Im März wendet sich Jouinis Anwalt, ein Basler SVP-Grossrat, schriftlich an Wölfli. Dessen Antwortschreiben ist kurz: «Leider haben wir Herrn Jouini nicht so kennengelernt, wie Sie ihn beschreiben. Aufgrund der gemachten Erfahrungen sehen wir davon ab, mit jemandem aus dem Umfeld von Herrn Jouini einen neuen Mietvertrag abzuschliessen.»

Der Fall landet schliesslich auf dem Tisch von Peter Schwendener (62), dem Stellvertretenden Direktor des Eidgenössischen Finanzdepartements, zu dem das BBL gehört. Doch diesmal stellt sich BBL-Direktor Broyer vor seinen Liegenschaften-Leiter Wölfli – und setzt sich durch. Es gibt keinen neuen Mietvertrag.

Bund entgehen Einnahmen von 18'000 Franken pro Monat

Seit Januar sind dem Restaurant L’Ambasciatore Umsätze in der Höhe von 600'000 Franken entgangen. Jouinis Investitionen von 700'000 Franken liegen brach. Die 14 Angestellten sind auf dem RAV. Die Lieferanten kriegen keine Aufträge mehr. Und dem Bund entgehen monatliche Mieten in der Höhe von 18'000 Franken. Weil das Konkursverfahren noch mindestens ein Jahr dauert, dürften es am Ende mehr als eine Viertelmillion Franken sein.

«Das Restaurant könnte morgen öffnen, wenn der Bund den Mietvertrag unterschreiben würde», sagt Jouini. Er arbeite hart, habe einen guten Ruf und sei in Basel verankert, betont der Betriebswirt. «Der Vorwurf, ich sei nicht vertrauenswürdig, ist unhaltbar.» Das Drama habe einen anderen Grund: «Ronald Wölfli hat wohl nicht verkraftet, dass er in der Pandemie auf Intervention von oben die Kündigung rückgängig machen musste. Aber es kann doch nicht sein, dass wir wegen eines beleidigten Beamten schliessen mussten.»

Das BBL hält fest: «Ronald Wölfli hat seine Arbeit unter Berücksichtigung der Vorgaben seines Arbeitgebers BBL erledigt.»

Jouini reicht Wölfli noch einmal die Hand. «Wir müssen eine Lösung finden», sagt der Wirt. «Zum Wohl der 14 Angestellten.»

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