«Ein WEF im Mai ist sehr speziell»
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Davoser Landamann:«Ein WEF im Mai ist sehr speziell»

Aus dem Gegner wurde ein Befürworter
Davoser Landammann ging einst gegen das WEF auf die Strasse

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) findet erstmals im Mai statt. Blick hat sich im Vorfeld in der Stadt umgehört. Die Hoteliers hoffen auf zusätzliche Einnahmen. Und sogar Philipp Wilhelm, der neue Landammann von Davos und ehemaliger WEF-Gegner, freut sich auf das Forum.
Publiziert: 22.05.2022 um 18:56 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2022 um 10:36 Uhr
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Der neue Davoser Landammann Philipp Wilhelm war einst ein WEF-Gegner.
Foto: Philippe Rossier
Nicola Imfeld (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Davos GR, 22 Grad, Sonnenschein: Die Atmosphäre erinnert so gar nicht an das Weltwirtschaftsforum (WEF), das für gewöhnlich im Januar bei Eis und Schnee stattfindet. Auf den Strassen sind die Menschen in kurzen Hosen und T-Shirts unterwegs. Vereinzelt sieht man an diesem Wochenende bereits Männer in Anzügen und Frauen im Businessdress – die Mäntel, Handschuhe und Stiefel dürfen sie in diesem Jahr getrost zu Hause lassen.

«Es ist wichtig, dass nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder ein richtig grosser Anlass stattfinden kann», sagt der Davoser Landammann Philipp Wilhelm (33) zum Frühsommer-WEF. Der Mai sei normalerweise der einzige Monat, an dem es in Davos richtig ruhig sei. Umso mehr freut er sich auf die nächsten Tage: «Das WEF ist wohl weltweit einer der ersten grossen internationalen Anlässe, der seit Ausbruch der Pandemie wieder stattfinden kann.»

Davoser Landammann war WEF-Gegner

Blick trifft Wilhelm vor dem Rathaus in Davos. Das Jahrestreffen der globalen Wirtschaftselite wird sein erstes als Landammann sein, nachdem das Treffen 2021 wegen der Pandemie abgesagt und jenes im Januar 2022 auf diese Woche verschoben worden ist.

Pikantes Detail: Philipp Wilhelm war lange Zeit ein WEF-Gegner. Er nahm in der Vergangenheit sogar an Demonstrationen teil. «Die Diskussionen sind wichtig und richtig», sagt Wilhelm heute. Das Jahrestreffen in Davos biete einen Anlass, um über relevante Themen wie Nachhaltigkeit und den Klimawandel zu sprechen. «Das soll auch von der Strasse aus möglich sein.»

Hotels öffnen extra für die WEF-Woche

Der SP-Politiker weiss über die Bedeutung des Forums für Davos. Für die Hoteliers und Beizer waren die pandemiebedingten Absagen ein herber Schlag, generieren sich doch in der WEF-Woche den höchsten Umsatz im ganzen Jahr. «Es ist schon wichtig für die lokale Wirtschaft, dass sie ein Teil der fehlenden Einnahmen der letzten beiden Januare kompensieren kann», sagt Wilhelm. Dem pflichtet Alexander Bez (48), Chef des altehrwürdigen Hotels Dischma, bei: «Das WEF ist für uns die lukrativste Woche des Jahres.»

Blick trifft Bez in seiner Hotel-Beiz. Er ist extra früher aus den Ferien zurückgekehrt, um für das Weltwirtschaftsforum bereit zu sein. «Wir haben das Hotel für diese Woche nochmals geöffnet, das braucht schon etwas Vorlaufzeit», sagt er. Nach dem WEF werde er das Hotel bis zu Beginn der Sommersaison Mitte Juni nochmals schliessen.

Im Gegensatz zu anderen Hoteliers in der Stadt hatte Bez keine Mühe, genügend Personal zu finden. «Als das Datum feststand, haben wir uns sofort organisiert. Wir haben eine schlagkräftige Truppe zusammen.»

Das Hotel Dischma hält sich an die Preisabmachungen mit dem WEF. In dieser Woche kosten die Zimmer zehn Prozent mehr als üblich in der Hauptsaison. «Es lohnt sich auf alle Fälle, das Hotel für diese Woche zu öffnen», sagt er. Und geben die vermögenden Gäste aus dem Ausland auch mehr Trinkgeld? «Nein, eher weniger», sagt Bez und lacht. «Sie zahlen fast immer mit der Kreditkarte.»

Setzt sich das Frühjahrs-WEF durch?

Dass das WEF nun erstmals im Mai stattfindet, hält Tourismusdirektor Reto Branschi (63) für eine nette Abwechslung. «Das gibt uns die neue Möglichkeit, Davos für einmal im grünen und nicht im weissen Kleid zu präsentieren.» Dass das Frühsommer-WEF eine Zukunft hat, glaubt er nicht. «Es gibt schon einige Punkte, die dagegen sprechen», sagt Branschi. Da wäre einerseits die Sicherheitsfrage: «Wir haben weniger Parkplätze, weil wir den Schnee nicht walzen können.» Andererseits denkt Branschi auch an die Hoteliers. «Für sie ist es eine Herausforderung, das Personal wieder zurückzubringen.»

Alexander Bez hat zwar in diesem Jahr keinen Personalmangel zu beklagen, doch auch der Hotelier plädiert für eine WEF-Austragung im Winter. «Nach den Festtagen und dem Spengler Cup haben wir ein kurzes Januarloch, da kommt uns das Forum sehr gelegen.»

Andere Gedanken hat der Davoser Landammann. «Im Januar ist in der Stadt sowieso viel los. Aus dieser Sicht wäre es für uns interessant, auch in Zukunft im Mai einen grossen Anlass zu haben.»

Die Diskussion ist lanciert. Letztlich liegt die Entscheidung aber bei den Verantwortlichen des WEF. Und die sehen das Forum weiterhin im Januar. Schliesslich setzt man Anfang Jahr die Agenda, und nicht Ende Mai.


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