Auch Peter Spuhler springt auf Trend auf
Darum wittern Schweizer Firmen in den USA ihre grosse Chance

US-Boom für Schweizer Unternehmen: Stadler Rail, Landis+Gyr und Holcim verstärken ihr Amerika-Geschäft. Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur und drohende Zölle machen den Markt attraktiv. Auch kleinere Schweizer Firmen wagen den Sprung über den Atlantik.
Publiziert: 05.12.2024 um 13:56 Uhr
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Peter Spuhler gibt in den USA Gas: Der Stadler-Patron hat diese Woche die Abspaltung des US-Geschäfts verkündet.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Bernhard Fischer
Handelszeitung

Der Zughersteller Stadler Rail legte vor sieben Jahren den Grundstein für ein Werk in den USA. Eine Präsenz vor Ort bringt grössere Chancen bei Ausschreibungen, weil die Produktion weitgehend lokal erfolgt, und reduziert bei allfälligen Einfuhrzöllen auch noch die Kosten. Jetzt gliedert Exekutivpräsident Peter Spuhler Stadler US aus und macht das Business zur eigenen Division. Er wittert grosse Chancen für den Zugbauer in den USA.

So wie Stadler Rail stellen sich immer mehr Schweizer Unternehmen neu auf. Sie reorganisieren ihr Tagesgeschäft in den USA, gründen neue Gesellschaften im Land, spalten Konzernteile in den USA vom europäischen Mutterhaus ab oder gehen in den Vereinigten Staaten an die Börse. Die Dynamik nimmt jetzt Fahrt auf. Die Musik spielt für Schweizer Firmen zunehmend im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das hat zwei wesentliche Gründe.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Erstens rechnen viele Managerinnen und Manager nach der Wahl von Donald Trump mit neuen Zöllen. Aufschläge auf so ziemlich alle Produkte drohen, von Industrie- bis hin zu Konsumgütern. Gerechnet wird mit Zöllen zwischen 10 und 25 Prozent. Davon betroffen dürften vor allem Waren aus Mexiko, Kanada und China sein, aber eben möglicherweise auch für solche aus Europa.

Das würde bisherige Standortvorteile in Ländern mit tieferen Lohn- und Kapitalkosten zunichtemachen. «Wenn Trump mit den Zöllen Ernst macht, überlegen wir uns, unser stark automatisiertes Werk in Mexiko über die Grenze in die USA zu verlegen», sagt ein Sprecher des Stromzählerherstellers Landis+Gyr.

Die USA werden zur Hauptregion

Landis+Gyr steckt mitten im Prozess, die USA in fast allen Belangen zu seiner Hauptregion zu machen. Immerhin kommen 60 Prozent des Umsatzes aus den USA, 30 Prozent aus Europa und 10 Prozent aus Asien. Auf Stufe des operativen Gewinns erwirtschaftet Landis+Gyr gar 80 Prozent in den USA – es ist der mit Abstand profitabelste Markt für das Unternehmen. Längst rapportiert es in Dollar, bilanziert nach US-Regeln und schielt auf den Erneuerungsbedarf in der Infrastruktur.

Der zweite Grund für die Ausrichtung auf die USA liegt darin, dass bereits in den vergangenen Jahren das Geld in den USA lockerer sass als auf dem alten Kontinent. Denn der Erneuerungsbedarf der Infrastruktur in diesem 300-Millionen-Menschen-Markt ist gigantisch. Es braucht neue Brücken, Häuser, Züge, Stromzähler und vieles mehr – und das über viele Jahre hinweg. Rund 1,7 Billionen Dollar planen die USA in den nächsten Jahren insgesamt dafür auszugeben. Für Schweizer Unternehmen wie Stadler Rail oder Landis+Gyr heisst das: Cash.

Auch der Baustoffhersteller Holcim hat eine bedeutende strategische Neuausrichtung in den USA angekündigt. Das Unternehmen ist dabei, sein Nordamerikageschäft abzuspalten und als eigenständiges Unternehmen bis Mitte 2025 an die New Yorker Börse zu bringen. Nordamerika zählt für Holcim zu den attraktivsten und am schnellsten wachsenden Baumärkten weltweit. Ziel ist, den Umsatz bis 2030 auf 30 Milliarden Dollar fast zu verdreifachen. 

Mehr Geld, bessere Marktstellung

Die Unternehmen profitieren von den Unterstützungspaketen der Biden-Administration (Infrastructure Investment and Jobs Act, Inflation Reduction Act) oder von höheren Margen und Firmenbewertungen in den USA. Eine stärkere US-Präsenz ist lukrativ. «Für andere Unternehmen wiederum waren und sind wirtschaftspolitische Massnahmen wie der Buy America Act Grund dafür, Produktionskapazitäten in den USA auf- oder auszubauen», sagt Annina Bosshard, Internationalisierungsexpertin Nordamerika bei Switzerland Global Enterprise.

Dass Schweizer Unternehmen ihr US-Geschäft eigenständiger machen, Niederlassungen gründen, in den USA an die Börse gehen oder das Kerngeschäft nach Übersee verlagern, soll auch deren Position gegenüber der internationalen Konkurrenz stärken. Diese ist hart in Europa, spielt auch aus den USA herein und nimmt aus China zu. «Bei der Frage, wo wir Kapital allozieren und wie wir es am besten investieren können, liegen die USA ganz klar vorn, deutlich vor Europa», sagt ein Sprecher von Landis+Gyr.

Magnet für Direktinvestitionen

Die USA sind zum Magneten für ausländische Direktinvestitionen geworden: Gemäss den Zahlen des US-Handelsministeriums betrugen im zweiten Quartal 2024 die Zuflüsse an Direktinvestitionen in die USA aus aller Welt rund 83 Milliarden Dollar. Das ist ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Ausländische Direktinvestitionen gelten als Indikator schlechthin für die wirtschaftliche Attraktivität eines Standortes für ausländische Investoren.

Das US-Handelsministerium schreibt für 2023 von kumulierten Direktinvestitionen aus der Schweiz in den USA von rund 352 Milliarden Dollar. Die Schweiz ist damit der sechstgrösste Investor in den Vereinigten Staaten und beschäftigt rund eine halbe Million Menschen im Land.

KMU legt «Anker» in Pennsylvania

Und nicht nur milliardenschwere Multis zieht es in den Westen. Auch kleine Firmen suchen ihr Glück unter den Stars and Stripes. Der Familienbetrieb Früh Verpackungstechnik hatte bisher keinen «Anker» im Land. Jetzt schon: In Pennsylvania hat das Schweizer KMU einen zweiten Produktionsbetrieb aufgebaut, um wichtige Kunden im medizintechnischen Bereich besser betreuen zu können. Ausschlaggebend waren etwa Lohnkosten, Ausbildungsstand, Lebensqualität, Sicherheit, Energiepreise und Steuern in dem Bundesstaat.

Die Firma nahm dafür einiges auf sich: von der aufwendigen Standortsuche über die Vertragsverhandlungen bis hin zur Auswahl geeigneter Personalvermittler. Ob also mit oder ohne Trump, die USA werden für Europas Unternehmen attraktiver. Und Schweizer Unternehmen bilden die Spitze der Karawane.

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