Klammert man das Debakel rund um die Credit Suisse für einen Augenblick aus, geniessen Schweizer Banken nach wie vor einen guten Ruf. Die meisten Finanzinstitute werfen hohe Gewinne ab, die Kundschaft in der Schweiz ist zufrieden und wechselt die Bank nur selten.
Doch Erfolg macht träge. In einem Bereich haben sich die Schweizer Banken in den letzten Jahren offenbar so richtig gehen lassen: der Digitalisierung. «Mit Blick auf die Digitalisierung scheint es, als sei es vielen Schweizer Banken nicht bewusst, dass sie den Anschluss an die Konkurrenz zunehmend verlieren», sagt Cyrill Kiefer (51), Banking Leader beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.
Deloitte hat in seiner fünften Studie über die Digitalisierung im Retail-Banking gut 300 Banken aus 41 Ländern verglichen. Das Retail-Banking umfasst das standardisierte Geschäft mit Privatkunden – dazu gehören Sparen, Rechnungen zahlen oder Eigenheimbau. Die Schweiz landet mit ihren zehn untersuchten Banken gerade mal auf dem 21. Platz. Biederes Mittelfeld. Dabei war die Ausgangslage vor ein paar Jahren durchaus gut: Beim ersten Deloitte-Vergleich im Jahr 2016 lag die Schweiz noch auf dem 5. Platz.
«Organisation wie in den 1990er-Jahren»
Für die Studie haben Testkunden bei den Banken reale Konten eröffnet und die digitale Funktionalität der Webseite, des E-Bankings und der Smartphone-App auf Herz und Nieren überprüft. «Bei Schweizer Banken kann das Einrichten eines neuen Kontos locker zwei, bis drei Wochen dauern. Bei digitalen Top-Banken ist das bis am Folgetag erledigt», sagt Kiefer. Nur bei zwei von fünf Schweizer Banken kann eine Kreditkarte digital bestellt werden. Bei den internationalen Spitzenreitern ist der Anteil fast doppelt so hoch. Im Ausland können gar Firmen digital registriert werden.
In Ländern wie den USA herrsche zwischen den Retail-Banken ein viel härterer Wettbewerb, sagt der Bankenexperte. Die Banken unterbieten sich gegenseitig bei den Gebühren – am Ende bleibt pro Retail-Kunde unter dem Strich viel weniger übrig als in der Schweiz. Damit die Rechnung trotzdem aufgeht, müssen die Banken innovativ sein. Unter anderem, indem sie Angebote verknüpfen und vereinfachen. «In der Schweiz fehlen dafür oft die Strukturen. Die Banken sind in ihrer Organisation noch wie in den 1990er-Jahren aufgebaut. Das Silodenken in den einzelnen Bereichen macht sie langsam», so Kiefer.
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Bis anhin bleibt das für die Schweizer Banken noch ohne grössere Folgen. «Doch in der heutigen Zeit kann es auf einmal schnell gehen. Da muss nur ein neuer Service auftauchen, bei dem die grossen Techkonzerne schneller sind, und schon geraten die Banken in argen Zugzwang», sagt Kiefer.