Auf einen Blick
- Interdiscount verkauft chinesische Produkte zu stark überhöhten Preisen via Dropshipping
- Kunde entdeckt identischen Ultraschallreiniger auf Aliexpress für nur 5.36 Franken
- Interdiscount verzeichnete im letzten Geschäftsjahr einen Nettoerlösrückgang von 8,8 Prozent
Was läuft denn da bei Interdiscount? Stephan Pfister* (28), Leserreporter aus Dornach SO, musste beim Scrollen durch den Heimelektronik-Webshop der Coop-Tochter zweimal hingucken. «Ich traute meinen Augen nicht, als ich das sah», sagt Pfister zu Blick. Auf der Suche nach einem Ultraschallreiniger für seine Brille stösst der Solothurner auf mehrere Marken. Nebst einem Modell von Grundig für 40 Franken und einem Modell von Sanitas für 49.95 Franken – beide sofort lieferbar – findet er mehrere Ultraschallreiniger der Marke EG für 29.95 Franken. Bei diesen beträgt die Lieferzeit jedoch 3 bis 4 Wochen.
Da es nicht eilt, bestellt Pfister die günstigere Variante. Das Paket kommt einige Wochen später an – in einem Karton mit chinesischer Anschrift. Pfister recherchiert im Internet. Siehe da: Auf der Website der chinesischen Onlineplattform Aliexpress, die bei Schweizerinnen und Schweizern beliebt ist, findet er denselben Ultraschallreiniger. Dort kostet der aber lediglich 5.36 Franken, nicht 29.95 Franken. Die Lieferzeit entspricht exakt den 3 bis 4 Wochen, die Interdiscount veranschlagt.
Dropshipping bei Interdiscount üblich
Blick hakt bei Interdiscount nach, wie so etwas sein kann. Die Antwort erstaunt. «Einen Teil unseres Sortiments bieten wir via Dropshipping an, wie das in unserer Branche üblich ist», sagt Sprecherin Salome Balmer. Beim Dropshipping wird das Produkt vom Hersteller direkt zum Endkunden geschickt, ohne Lagerung beim Zwischenhändler. Der genannte Ultraschallreiniger werde also aus China versendet und nehme keinen Umweg. Die Mehrheit der Interdiscount-Partner habe jedoch Lager und Sitz in der Schweiz.
Hinweise zu weiteren Sortimentsartikeln aus China gibt sie nicht. Zum genannten Beispiel merkt sie aber an: «Wenn wir Produkte aus China beziehen, dann entsprechen diese den Sicherheitsbestimmungen, welche in der Schweiz gelten.» Diese Marktkonformität, der Interdiscount-Kundendienst und die hohen Betriebskosten in der Schweiz seien eingepreist. «Der Vergleich mit ähnlichen Produkten in der Schweiz rechtfertigt unseren Preis», schliesst sie.
«Kein gutes Signal»
Alexandra Scherrer (33), Geschäftsführerin der Beratungsfirma Carpathia, sieht am Vorgehen der Coop-Tochter nichts Verwerfliches: «Es kann sein, dass Aliexpress zwar das gewünschte Produkt bewirbt, aber letztlich eine viel billigere Kopie versendet.» Selbst wenn es dasselbe Produkt ist, wäre ein Preisunterschied erklärbar: «Händler in der Schweiz sind als Inverkehrbringer der chinesischen Produkte, im Falle des Dropshipping, bei Mängeln haftbar», so Scherrer.
Aber gut 500 Prozent Marge? Dagmar Jenni (56) von der Swiss Retail Federation – in welcher Coop und Migros übrigens nicht Mitglied sind – verweist auch auf die Mehrauflagen für Schweizer Händler. «Bietet man jedoch identische China-Ware ohne Mehrwert an, zu so viel teureren Preisen, dann vergrault man Kunden und tut sich keinen Gefallen», sagt Jenni. Eine derart hohe Preisdifferenz sei für Konsumenten kaum nachvollziehbar und sende ein schlechtes Signal aus.
Interdiscount sieht das anders: «Dropshipping ist wichtig, um der Kundschaft ein breites Sortiment in verschiedenen Preisklassen anbieten zu können, ohne alle Produkte selber an Lager zu haben.»
* Name geändert