An der Harvard Medical School waren Sie beeindruckt, wie stark die Lebensspanne von Tieren verlängert werden kann.
Alexandra Bause: Da werden Tiermodelle genutzt, etwa Würmer und Fliegen. Bei diesen lässt sich durch Manipulation eines einzigen Gens die Lebensspanne verdoppeln.
Die gesunde Lebensspanne?
Ja, diese Erkenntnisse gab es schon in den 1990er-Jahren. Mit den gleichen Genen kann man auch Mäuse gesünder machen und ihre Lebensspanne verlängern. Aber nicht so extrem wie bei den Modelltierorganismen, sondern es verlängert hier die Lebenszeit um 20 bis 40 Prozent.
Auf den Menschen umgerechnet wären das 15 bis 30 mehr gesunde Jahre.
Dafür musste man bei Tieren Gene manipulieren. Im Jahr 2009 erschien eine Arbeit über das Medikament Rapamycin. Damit, also ohne Genmanipulation, leben Mäuse im Schnitt 20 Prozent länger, und sie bleiben gesünder. Die Ergebnisse der Studie wurden mehrmals repliziert.
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Aber das Medikament hat starke Nebenwirkungen. Es wird eigentlich eingesetzt, um bei Organtransplantationen eine Immunantwort zu verhindern, die zu einer Abstossung führen könnte.
Darum ist es das Ziel, den unerwünschten Nebeneffekt der Immunsuppression loszuwerden und gleichzeitig die positiven Effekte auf Langlebigkeit und Gesundheit zu behalten. Das war dann auch unsere erste Firma bei Apollo, die genau das versucht, Aeovian Pharmaceuticals.
Funktioniert es?
Das muss noch klinisch getestet werden, um wirklich sicherzugehen, dass wir die gleichen positiven Effekte haben, ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Es gibt heute schon Leute, die Rapamycin nehmen, um länger gesund zu bleiben.
Ich würde nicht empfehlen, Rapamycin zu nehmen. Aber es gibt Leute, die Selbstexperimente machen. Die nehmen das in viel niedrigerer Dosierung als bei einer Organtransplantation. Oder sie nehmen es nicht regelmässig. Eben um die immunsupressive Wirkung möglichst gering zu halten.
Und nützt es so?
Vielleicht hat es einen Benefit, aber es wurde bei Menschen klinisch noch nicht überall getestet. Es laufen Studien, die Rapamycin gegen Alzheimer testen.
Ich finde fast 2000 Studien, die derzeit Rapamycin als Wirkstoff für verschiedene Krankheiten testen.
Rapamycin ist ein vielversprechendes Medikament. Das kann man aus den Tierdaten herauslesen. Jetzt will man sehen, wie und ob es auch beim Menschen funktioniert. Aber solange die Ergebnisse nicht vorliegen, würde ich niemandem empfehlen, es auf eigene Faust zu nehmen.
Wo steht Aeovian in der Forschung?
Sie ist noch nicht in der Phase der klinischen Studie. Das kommt nächstes Jahr.
Was kostet eine Medikamentenentwicklung?
Da braucht man mehrere Millionen Dollar, um überhaupt zu starten. Dann mehrere 10 bis 100 Millionen Dollar, um eine klinische Studie laufen zu lassen.
Sie haben deswegen einen Fonds lanciert.
Ja, wir haben rund 160 Millionen Euro im Fonds. Im Jahr 2021 haben wir zu investieren begonnen.
Ist alles Geld schon investiert?
Wir sind noch dran, aber wir haben schon sehr viel in Firmen investiert und Venture-Creation gemacht.
Was meinen Sie damit?
Wir gründen selbst Firmen. Wenn wir eine spannende Wissenschaft sehen, die grosses Potenzial hat, gehen wir auf die Wissenschafterinnen zu, fragen, ob sie sich vorstellen können, eine Firma zu gründen. Dann machen wir das mit den Wissenschafterinnen und den Universitäten zusammen.
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In den USA sind die Universitäten wahrscheinlich zugänglicher als in Europa?
Es hat alles seine Vor- und Nachteile in den USA und in Europa. Die Unis und Institute in den USA sind definitiv geübter darin, Firmen zu starten, besonders an der West- und Ostküste. Aber dafür sind sie auch sehr kompetitiv in ihren Verhandlungen. Das ist in Europa etwas freundlicher.
Zurück zur Studie mit Rapamycin: Kein Medikament kann in einer klinischen Studie auf die Wirkung gegen das Altern getestet werden. Das ist offiziell keine Krankheit. Welche Krankheit haben Sie ausgewählt, um die Wirkung zu testen?
Die klinische Studie soll zeigen, dass unser Wirkstoff ohne immunsuppressive Wirkung bei einer seltenen Erkrankung hilft.
Welcher?
Das ist noch nicht öffentlich. Darauf kann man später Evidenz aufbauen und zeigen, dass es auch bei anderen Krankheiten hilft.
Gibt es eine Portfoliofirma, die schon in der Phase der klinischen Studie ist?
Ja, Bloom Science mit Sitz in San Diego fokussiert auf das Mikrobiom.
Also auf die Mikroorganismen in unserem Verdauungssystem. Was soll die klinische Studie zeigen?
In der Phase eins wollte man zuerst zeigen, dass es keine Nebenwirkungen gibt. Gleichzeitig hat man geschaut, was mit der Darmflora passiert, wenn man das Produkt einnimmt. Und das sieht alles gut aus.
Grünes Licht, um in der Phase zwei die Wirksamkeit zu prüfen. Auf welche Krankheit?
Das Medikament hat einen positiven Effekt auf Patienten und Patientinnen mit Epilepsie. Deshalb testen wir es in der klinischen Studie zuerst auf diese Krankheit. Zudem gibt es aus Tierstudien Anzeichen, dass das Medikament bei Amyotropher Lateralsklerose und anderen neurodegenerativen und metabolischen Krankheiten einen positiven Effekt haben könnte – diese Studien werden parallel starten.
Die richtigen Mikroorganismen im Verdauungstrakt schützen vor Epilepsie?
Das sagt zumindest die Wissenschaft, die hinter der Entwicklung des Produktes steckt. Bei Mäusen funktioniert es.
Aber der Mensch ist anders.
Das ist immer die grosse Unbekannte bei klinischen Studien. Nur weil es bei einer Maus funktioniert, heisst das nicht unbedingt, dass es bei Menschen funktioniert. Darum sind klinische Studien wichtig.
Was könnte künftig die gesunde Lebensspanne am meisten verlängern?
Es gibt das Konzept des Reprogrammings, das noch in einer sehr frühen Phase ist. Man kann Zellen reprogrammieren.
Was heisst das?
Mit dem Alter läuft quasi die Software nicht mehr richtig ab, weil es irgendwie Hardwareprobleme gibt. Aber wenn man die Festplatte formatiert, kann man die Software wieder richtig abspielen. Das ist so ein bisschen die Idee des Reprogrammings. Man macht ein Reset, damit die Zellen wieder eine verjüngte Software abspielen können.
Hat man das mit Tieren versucht?
Ja, man konnte schon starke Langlebigkeitseffekte sehen. Allerdings ist das auch mit sehr vielen Nebenwirkungen verbunden. Man muss aufpassen, wie man die Dosis einstellt. Wenn man die Zellen zu stark resettet, ist quasi die Festplatte gelöscht und die Software gibt es nicht mehr.
Die Zellen wissen nicht mehr, was sie sind?
Zum Teil resultierte ein Tumorwachstum. Das heisst, die Wissenschaft ist zwar sehr vielversprechend, aber sie ist auch noch in einem sehr frühen Stadium. Man muss erst besser verstehen, wie die Behandlung sicherer gestaltet werden kann.
Gibt es etwas, das schon etwas näher an einer klinischen Studie ist?
Ja, eine unserer Portfoliofirmen, Samsara Therapeutics, hat einen Wirkstoff, der die Autophagie aktiviert.
Der Prozess der Zellreinigung.
Der wird vor allem aktiviert, wenn wir fasten oder Sport machen. Das hilft den Zellen, sich zu reparieren, defekte Moleküle abzubauen und wieder neu zu bauen.
Was macht Samsara Therapeutics da?
Sie entwickelt neue Autophagie-Enhancers. Da sind wir relativ weit fortgeschritten mit den präklinischen Studien, also mit den Tierexperimenten.
Das Ziel ist eine Pille für Zellreinigung?
Das wäre das ultimative Ziel. Es ist noch keine Pille entwickelt, nur der Wirkstoff, der gerade getestet wird.
Bei der Zellreinigung sollen auch Nahrungsergänzungsmittel helfen, etwa Spermidin.
Tatsächlich hat einer der Co-Gründer von Samsara auch Spermidin erforscht. Menschen produzieren selbst Spermidin im Körper als Abbauprodukt von bestimmten Aminosäuren. Aber der Spermidinlevel fällt mit dem Alter. Und damit auch die Fähigkeit zur Zellreinigung.
Spermidin ist in vielen Lebensmitteln, etwa in Broccoli und in Pilzen, vorhanden.
Das Problem ist, dass man grammweise Spermidin braucht.
Man müsste fünf Kilogramm Broccoli essen, um ein Gramm Spermidin aufzunehmen.
Das Nahrungsergänzungsmittel, das es gibt, ist ein Weizenkeimextrakt, das einen hohen Spermidin-Anteil hat.
Samsara Therapeutics nutzt auch Spermidin?
Nein, Samsara entwickelt neue Moleküle, die Medikamente werden können.
Investieren Sie selber privat an der Börse in Biotech-Firmen?
Nicht in einzelne Firmen, eher pauschal in Biotech- und Healthcare-ETF. Das Thema wird einfach grösser und wichtiger.
Mit Ihrer Expertise könnten Sie auch einzelne Firmen beurteilen.
Ja, aber dann müsste ich genau wissen, was für eine Clinical-Trial-Strategie die Firma hat. Da müsste ich viel mehr Information haben. Sonst bin ich auch nur auf gut Glück investiert und rate einfach ein bisschen mit.
Sie könnten die Informationen beschaffen.
Aber wenn man da selbst nicht drinsteckt, hat man die Information nicht, die man braucht. Nur aufgrund von Marketingmaterial ist es schwierig, wirklich einzuschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Studie erfolgreich läuft.
Das entscheidet über den Aktienkurs.
Wenn eine Studie nicht gut läuft, halbiert sich der Aktienkurs schnell. Das Risiko will ich lieber über ein Portfolio verteilen.
Mit Firmen, die spezifisch auf den Bereich der Langlebigkeit fokussiert sind, hat man an der Börse bisher viel Geld verloren.
Viele gingen an die Börse, bevor sie überhaupt klinische Studien starteten.
Viele die in diese Firmen investieren waren wohl Kleinanleger.
Ja, wahrscheinlich. Leute, die einfach das Thema Verjüngung spannend finden und bei einer hohen Bewertung investieren. Aber sobald eine klinische Studie nicht performt, fallen diese Aktien in den Keller.
Die Firmen hatten teilweise keine gute Hand bei der Auswahl der Krankheit, an der sie sich in einer klinischen Studie massen.
Man muss sich Gedanken machen, was die richtige Strategie ist, um in so einer klinischen Studie einen positiven Effekt zeigen zu können. Da geht es auch um die Auswahl der Patienten und die Endpunkte der Studie. Bei einigen dieser Studien hätte man schon vorhersehen können, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit gering ist.
Was, wenn eine Studie bei einer Ihrer Portfoliofirmen nicht performt?
Deswegen sind oft mehrere Medikamente für unterschiedliche Krankheiten in der Pipeline. Man muss überlegen, ob die Patientinnen mit einer bestimmten Krankheit zu heterogen sind und deshalb kein gutes Signal sichtbar war. Dann muss man sich überlegen, ob das jetzt am Studiendesign lag oder daran, dass das Medikament nicht wirkt. Falls ja, muss man sich überlegen, ob man weiter an die ursprüngliche Hypothese glauben will, dass dieser Mechanismus wichtig für die Alterung ist.
Was machen Sie für Ihre Langlebigkeit?
Ich kann niemandem empfehlen, das Gleiche zu tun. Ich habe mich selbst gut durchgetestet, damit ich genau weiss, wo meine Defizite sind, welche Mechanismen ich optimieren muss und welche Risiken ich durch meine Gene habe. Ich supplementiere sehr gezielt. Genau das, was mein Körper braucht. Das wird die Zukunft sein. Es wird kein One-size-fits-all-Treatment oder Supplement geben. Das muss personalisiert werden.
Welche Nahrungsmittelergänzungen nehmen Sie?
Ich nehme derzeit vor allem Vitaminpräparate, Omega-3-Fettsäuren und Eisen. Das ist bei mir am wichtigsten. Aber das kann bei anderen ganz anders aussehen.
Nehmen Sie Metformin, das vorbeugend auf viele Alterskrankheiten wirken soll?
Metformin nehmen eigentlich Diabetiker oder Leute, die auf dem Weg dahin sind. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich mache viel Sport und ernähre mich gesund. Deshalb würde mir Metformin nicht viel bringen. Das meine ich mit Personalisieren von Behandlungen.
Nehmen Sie bekannte Nahrungsergänzungsmittel aus dem Bereich der Langlebigkeitsforschung wie etwa NMN oder Resveratrol?
Nein, weil es noch keine klinischen Studien gibt, die mir zeigen, dass ich davon profitieren würde. Es kann sein, dass es mir nicht schadet. Aber ich fokussiere lieber auf das, was mir direkt messbare Erfolge bringt. Bei mir sind das eben Vitaminpräparate, Omega-3-Fettsäuren und Eisen.
Eisen nehmen viele Frauen, weil es sein kann, dass mit der Monatsblutung Defizite entstehen.
Genau, bei mir wurde es gemessen. Ich würde Frauen aber nicht pauschal empfehlen, Eisen zu nehmen.
Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der «Handelszeitung», erschienen (Dezember 2023).