Im Jahr 2011 beginnt für eine Coiffeuse in Luzern und ihre Mutter ein Albtraum, der über ein Jahrzehnt anhält. Es geht um enttäuschte Hoffnungen, viel Herzblut und eine Sache, die zum Himmel stinkt. Oder wie es Katrin Landolt (62) ausdrücken würde: «Es geht um die Ohnmacht der Kleinen gegen die Allmacht der Grossen.» Und darum, wie eine simple Lösung ein grosses Problem beseitigt.
Im Frühling 2011 kehrt Tochter Anja Schmid (32) nach einem Sprachaufenthalt in London in die Schweiz zurück. Die gelernte Coiffeuse träumt vom eigenen Geschäft, macht sich zusammen mit ihrer Mutter auf die Suche nach passenden Räumlichkeiten.
Leere Versprechen
Die beiden werden in Luzern im Lakefront Center gleich hinter dem Kultur- und Kongresszentrum fündig. Ein grosser Wohn- und Bürokomplex, in dem auch ein Hotel untergebracht ist. Die Immobilienmaklerin schwärmt in den höchsten Tönen von der Lage, der Nähe zum Hotel, den internationalen Gästen, den vielen Angestellten – von all den potenziellen Kunden, die nur darauf gewartet hätten, dass in der Nachbarschaft endlich ein Coiffeurgeschäft eröffnet. Viele Versprechen, die sich schon bald als haltlos erweisen.
Mutter und Tochter glauben, statt zu hinterfragen – und mieten unweit des Hoteleingangs einen kahlen Gewerberaum. Diesen verwandeln sie innert weniger Wochen in einen mondänen Coiffeursalon, in dem viel Herzblut und Liebe zum Detail steckt. «Wir mussten alles selber einbauen», erzählt Anja Schmid im Gespräch mit Blick. «Die ganzen Leitungen für Wasser und Strom, eine Sprinkleranlage und die Lüftung.»
Suche am falschen Ort
Als die Handwerker weg sind, kommen die erhofften Kunden nicht, dafür der Gestank. Besonders an heissen Tagen stinkt es im «Budeli», wie die beiden das Geschäft liebevoll nennen, nach Fäkalien. «Es war nicht auszuhalten, ich musste das Geschäft immer wieder tagelang schliessen», erinnert sich Anja Schmid. Als Kundinnen wegen des Gestanks Termine absagen, bricht die Coiffeuse in Tränen aus. Das Geld wird knapp, Kredite müssen zurückgezahlt werden.
Alle Beschwerden der beiden Frauen laufen ins Leere, immer wieder werden sie von der Vermieterin, einer lokalen Immobiliengesellschaft, und der Verwaltung schnöde abgeputzt. Der Gestank bleibt. Fatalerweise vermutet ein Haustechniker ein Problem mit der Lüftung, doch diese funktioniert einwandfrei. Über zehn Jahre lang wird am falschen Ort nach der Ursache des Fäkaliengeruchs gesucht!
Immobilie gehört der Credit Suisse
In ihrer Hoffnungslosigkeit wenden sich die beiden Frauen an die Eigentümerin der Liegenschaft: die Credit Suisse. Das Lakefront Center gehört zum Portfolio eines CS-Immobilienfonds. «Wir wollten an die moralische Verantwortung der Grossbank appellieren», sagt Mutter Katrin Landolt. Ein E-Mail an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner (62) wird im Jahre 2014 höflich, aber unverbindlich beantwortet. Kein Wunder: Damals hat Rohner wegen der Milliardenbusse und seiner «weissen Weste» im US-Streit ganz andere Sorgen, als sich um die Nöte eines Coiffeursalons zu kümmern.
Für Streitigkeiten mit Untermietern ist im Normalfall die Hauptmieterin zuständig. Deshalb fühlt sich die Bank für den Gestank nicht zuständig. Solange bis der CS-Immobilienfonds im Frühling 2021 sämtliche Mietverträge direkt übernimmt. Die beiden Frauen schöpfen neue Hoffnung. Nun erhalten auch Ex-Konzernchef Thomas Gottstein (58) und CS-Präsident Axel Lehmann (63) eingeschriebene Briefe aus Luzern.
Eine simple Lösung
Doch ein weiteres Jahr lang wabert immer mal wieder Kloakengestank durch das «Budeli». Erst im Vorfeld der diesjährigen Generalversammlung der CS kommt Bewegung in die Sache, erhöhen die beiden Frauen den Druck: «Den gesamten Briefverkehr von zehn Jahren habe ich mehrfach kopiert, wenn jetzt in den nächsten Tagen nicht telefoniert und seitens der CS eine faire Einigung in Aussicht gestellt wird, komme ich nicht umhin, anderswo Hilfe zu holen. So kurz vor der GV bekomme ich diese sicher», heisst es in einem Einschreiben von Anja Schmid im April 2022 an die Konzernspitze der Bank.
Auch wenn die CS auf Anfrage von Blick einen direkten Zusammenhang zur GV verneint, ging es damals plötzlich schnell. Im Juni besichtigen zwei Immobilienexperten der Bank das «Budeli», bieten noch am gleichen Tag einen Sanitär auf. Dieser findet im Hinterraum ein ungenutztes, aber schlecht verschlossenes Fäkalrohr, das in der Kanalisation des Gebäudes endet. Mit einem simplen Filter für wenige Franken wird das Rohr geruchsdicht verschlossen. Seit diesem Tag hat es im «Budeli» von Anja Schmid nie mehr gestunken. Und die CS hat sich «in aller Form» entschuldigt.