Novartis will ihre Generika-Sparte Sandoz vollständig ausgliedern. Ziel der Ausgliederung sei es, mit der Schaffung des grössten europäischen Generikaunternehmens und eines weltweit führenden Anbieters von Biosimilars den Wert für die Aktionärinnen und Aktionäre von Novartis zu maximieren, schreibt Norvartis in einer Medienmitteilung.
Novartis-Chef Vas Narasimhan (45) betont diesen Punkt an einer Telefonkonferenz vom Donnerstagmorgen gleich mehrfach: «Eine Ausgliederung schafft für unsere Aktionäre den grössten Wert.» Wie der CEO erklärt, hätte sich das Geschäft in den letzten zehn Jahren deutlich verändert: «In der heutigen Zeit gibt es zwischen dem Geschäft mit innovativen Arzneimitteln von Novartis und dem Generika-Geschäft von Sandoz keine Synergien mehr.» Die beiden Bereiche würden folglich nicht mehr voneinander profitieren.
Die Ausgliederung würde sowohl Innovative Medicines als auch Sandoz eine stärkere Fokussierung und die Verfolgung unabhängiger Wachstumsstrategien ermöglichen. Vas Narasimhan hatte schon seit seinem Amtsantritt klar gemacht, dass er sich auf innovative Therapien fokussieren will. Da hat das Geschäft mit Generika-Salben und Allround-Antibiotika, deren Patentschutz längst abgelaufen ist, keinen Platz. Das Geschäft mit diesen Medikamenten gilt laut Branchenkennern sowieso als schwierig.
Sandoz' Gang an die Börse ist für die zweite Jahreshälfte 2023 geplant. Mit der Abspaltung und dem Börsengang geht Novartis bei Sandoz den gleichen Weg wie schon bei der Augensparte Alcon: Novartis hatte sie 2019 an die Börse gebracht.
Statt Ausgliederung doch noch Verkauf?
In der Vergangenheit kursierten auch immer wieder Gerüchte über einen möglichen Verkauf von Sandoz. «Es gab dafür immer wieder Interessenten. Ein formales Angebot haben wir dabei aber nie erhalten», erklärt Narasimhan. Gemäss Angaben in der Branche waren dabei rund 25 Milliarden Dollar für Sandoz geboten worden.
Dass im Zuge der nun angekündigten Ausgliederung doch noch ein Verkauf erfolgen könnte, schliesst der CEO nicht aus: «Falls jemand ein wirklich hohes Angebot machen würde, müssten wir uns das sicher anschauen.» Analysten vermuten denn auch, dass mit der angekündigten Ausgliederung der potenzielle Verkaufspreis für Sandoz ansteigen könnte – auf 30 bis 40 Milliarden.
Keine Entlassungen bei Sandoz
Bei Sandoz erwartet das Unternehmen die nächste Wachstumswelle, die sich auf die bestehende Biosimilars-Pipeline mit mehr als 15 Molekülen sowie die Stärke und Erfahrung des Managementteams und der Organisation stützt. Novartis will ein auf innovative Arzneimittel fokussiertes Unternehmen mit stärkerem Finanzprofil und verbesserter Kapitalrendite werden.
Die eigenständige Sandoz soll an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange kotiert werden. Mit einem Börsenwert von schätzungsweise 20 Milliarden Franken, ist das Unternehmen ein Kandidat für den Leitindex SMI. Die neue unabhängige Sandoz soll ihren Sitz in der Schweiz behalten. Wo genau, ist allerdings noch Gegenstand von Diskussionen: Es liefen Gespräche mit mehreren Kantonen, meinte Narasimhan an der Telefonkonferenz. Möglich, dass neben dem aktuellen Standort am Pharma-Hotspot Basel auch Tiefsteuerkantone wie etwa Zug zur Diskussion stehen.
Aktuell sei auf Seite Sandoz als Folge der Abspaltung nicht mit Restrukturierungen oder Entlassungen zu rechnen. Im Gegenteil: «Wir bauen im Moment die notwendigen Funktionen für eine eigenständige Firma auf», so der Novartis-CEO. Was später geschehe, liege dann in der Verantwortung des Sandoz-Managements.
Laut den Angaben soll die Transaktion für Novartis «voraussichtlich grundsätzlich steuerneutral» sein. Sie sei zudem abhängig von den Marktbedingungen, steuerlichen Entscheidungen und Stellungnahmen, der endgültigen Zustimmung des Verwaltungsrats sowie den Genehmigungen durch die Aktionärinnen und Aktionäre.
In einer ersten Reaktion nahm der Markt die angekündigte Abspaltung gelassen auf. Die Novartis-Aktie bewegte sich am Donnerstag zuerst leicht im Plus, später leicht im Minus.
Sandoz, die Erfinderin von LSD
Sandoz erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Umsatz von 9,6 Milliarden Dollar und war in mehr als 100 Märkten weltweit tätig, mit einer starken Präsenz in Europa wie auch in den USA und der restlichen Welt. Sandoz würde auf ihre Unternehmensmarke setzen und will mit weiteren Investitionen die strategischen Kernbereiche Biosimilars, Antibiotika und Generika weiter stärken.
Mit dem Schritt trennt sich Novartis von der Generika-Sparte – aber nicht vom eigentlichen historischen Sandoz-Erbe. 1996 hatte die altehrwürdige Sandoz mit Konkurrent Ciba-Geigy fusioniert. Die klassischen Pharmainnovationen – und somit das eigentliche Erbe der ursprünglichen Sandoz – werden auch künftig in der fokussierten Novartis weiter leben.
Sandoz hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Die Firma wurde 1886 gegründet, zuerst für die Produktion von Anilin, einem Grundstoff für die Farbherstellung. Rund ein Jahrzehnt später stieg Sandoz dann in die Produktion der pharmazeutischen Substanz Antipyrin ein. Ihr Verwendungszweck: die Fiebersenkung.
Eine besondere Episode in der Firmengeschichte von Sandoz war 1943 die Entdeckung von LSD (kurz für Lysergsäurediethylamid) durch den Schweizer Forscher Albert Hofmann. Sandoz begann mit klinischen Versuchen und vermarktete die Substanz von 1947 bis Mitte der 1960er Jahre unter dem Namen Delysid als Psychopharmakon. Es sollte gegen eine ganze Reihe an psychischen Leiden - von Alkoholismus bis zu sexueller Devianz - eingesetzt werden. 1965 nahm Sandoz die Droge jedoch wieder vom Markt. (SDA/smt/sfa)