Noch nie standen in der Schweiz so viele Wohnungen leer wie dieses Jahr. Das wird die aktuelle Publikation der Leerstandsziffer des Bundesamtes für Statistik (BFS) heute zeigen. Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft.
Die neue Rekordzahl ist vor allem ein Problem des Mittellandes. Ein Paradebeispiel für chronisch hohe Leerstände ist die Gemeinde Langenthal im Kanton Bern. Seit Jahren hat sie eine der höchsten Leerstandsziffern der Schweiz und kämpft mit quasi ausgestorbenen Überbauungen wie der Geistersiedlung Dreilinden. Auch die Helvetia-Versicherung besitzt am Berner Leerstands-Hotspot Immobilien – und will nun mit einem speziellen Kinderrabatt gegen die Leerstände in der Liegenschaft ankämpfen.
Seit Jahren Wohnungen ausgeschrieben
Und so präsentieren sich die Ladenhüter-Mietwohnungen am Lagerweg 8 in Langenthal: Die Überbauung am Stadtrand umfasst drei dreistöckige Mehrfamilienhäuser und ein Hochhaus mit zwölf Etagen, ein Altbau aus dem Jahr 1967, zuletzt 2009 renoviert. Immer wieder werden für diese Adresse Mietinserate publiziert, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Und die Nachfrage erwies sich als so gering, dass die Wohnungen teilweise mehr als ein Jahr lang ausgeschrieben waren – in einem Fall sogar während 530 Tagen, wie eine Recherche zeigt.
Eine der Wohnungen, die zurzeit dort ausgeschrieben sind, bewirbt Verwalterin Helvetia nun sogar mit einem Kinderrabatt. Die 4½ Zimmer kosten 1490 Franken pro Monat inklusive Nebenkosten. Wer einzieht, erhält pro Kind und Monat 50 Franken Rabatt – für die Dauer von fünf Jahren. Wer mit zwei Kindern einzieht, spart so immerhin 6000 Franken auf die Monatsmiete.
Mehr Sichtbarkeit in der Inserateflut
«Wir haben uns für den Kinderrabatt entschieden, um uns in der grossen Inserateflut hervorzuheben», sagt Helvetia-Sprecher Dominik Chiavi. Man wolle den Familien mit dem Rabatt zudem unter die Arme greifen, wirbt der Versicherer.
BLICK weiss: Es ist nicht die erste Adresse, an der die Helvetia Mietwohnungen mit einer solchen Aktion mehr Sichtbarkeit verschafft. Der Familienrabatt wurde im Herbst 2019 erstmals getestet. «Die Aktion führte zu einer positiven Resonanz, weshalb sie ausgeweitet wird», sagt Chiavi. Ob die Massnahme allerdings auch am Leerstands-Hotspot Langenthal fruchtet, bleibt noch abzuwarten.
Wo Hotspots entstehen
Immobilienexpertin Ursina Kubli (42) von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) kennt die Gründe, warum es in der Schweiz seit Jahren zu solchen Hotspots kommt. «Chronischer Leerstand betrifft oft den Altbau», sagt sie. «Und auch da ist es wiederum eine Frage der Lage», fügt sie an.
Altbauwohnungen in den Städten Zürich oder Winterthur ZH beispielsweise würden problemlos weggehen. Auf dem Land ist es anders. Während Wohnungen zur Erstmiete dort meistens schnell Mieter finden, entstehen dadurch im Umfeld des Neubaus höhere Leerstände. «Neue Überbauungen sind die Verursacher der Leerstände, nicht die Leidtragenden», so Kubli.
Skurrile Aktionen im Kampf um Mieter
Tatsächlich lässt sich auf dem Wohnungsmarkt seit längerer Zeit beobachten, dass Immobilienverwaltungen auf kreative Angebote zurückgreifen, um leerstehende Wohnungen zu vermarkten. Nicht immer geht es dabei um Altbauten.
So soll einem Neumieter in einer Überbauung im Grossraum Winterthur ein Einkaufsgutschein im Wert von 3000 Franken angeboten worden sein, sollte er einziehen. Ebenfalls bekannt ist die Aktion in der Siedlung Sue & Til in Neuhegi in Winterthur, wo Leerstände mit Gratismieten während bis zu einem Jahr abgebaut werden sollten.