Auf einen Blick
- Ikea deklariert die Holzherkunft oft so ungenau, dass sie für die Kundschaft nutzlos ist
- Sammeldeklarationen für Holz sind legal, aber umstritten
- 2021 stellte der Bund bei Ikea Mängel fest, büsste das Unternehmen aber nicht
Zuerst die gute Nachricht: Das Fleisch für Hackbällchen und Hotdogs im Ikea-Restaurant stammt aus der Schweiz. So deklariert es das Einrichtungshaus klar und deutlich.
Im Kerngeschäft, beim Holz, arbeitet das schwedische Unternehmen dagegen mit weniger eindeutigen Herkunftsangaben: Tische, Stühle und Platten stammen demnach in vielen Fällen aus mehreren Regionen zugleich: Als mögliche Ursprungsländer kommt manchmal die halbe Welt infrage.
Die Filiale in Dietikon ZH deklariert die Herkunft einer Birkenholz-Platte zum Beispiel wie folgt: «Skandinavien, China, Osteuropa, Westeuropa, Baltikum, Slowenien».
«Beleidigung für Konsumenten»
Das ist kein Einzelfall. Wie die Nichtregierungsorganisation Bruno Manser Fonds herausgefunden hat, die 1991 vom gleichnamigen Schweizer Umweltaktivisten gegründet worden war, sind Holzdeklarationen dieser Art weit verbreitet. Und zwar nicht nur bei Ikea, sondern auch bei vielen anderen Möbelhäusern.
Geschäftsführer Lukas Straumann kritisiert das scharf: «Solche Herkunftsangaben sind eine Beleidigung für die Konsumentinnen und Konsumenten.» Das Holz für die genannte Birkenholz-Platte zum Beispiel könne gemäss Deklaration «von irgendwo zwischen Gibraltar und Peking» stammen.
Das macht Herkunftsangaben absurd: «Leute, die nicht wollen, dass das Holz für ihren Esstisch vom anderen Ende der Welt kommt, erhalten von Ikea null Orientierungshilfe.» Anhand solcher Sammeldeklarationen könne niemand ausschliessen, Möbelstücke aus einem Land zu erwerben, in dem der Natur- und Umweltschutz mit Füssen getreten werde – oder gar die Menschenrechte.
«Realität eines globalen Unternehmens»
Ikea äussert Verständnis dafür, dass die Nennung von derart unterschiedlichen Herkunftsländern bei seinen Kunden «Fragen aufwerfen» könne. Eine Sprecherin verteidigt und begründet die problematische Praxis ihres Hauses jedoch mit der «Realität eines globalen Unternehmens».
Demnach beziehe Ikea viele seiner Artikel von Produzenten, die in unterschiedlichen Ländern tätig seien. Das sei auch ökologisch sinnvoll, weil man damit «möglichst kurze und effiziente Transportwege» sicherstellen könne.
Andererseits ist damit aber möglich, dass Verkaufsartikel in der Westschweiz von einem unterschiedlichen Produzenten stammen als baugleiche Möbel in der Deutschschweiz – und damit auch das Holz anderswo herkommt: «Je nach Liefersituation kann der Produzent eines identischen Produkts deshalb sogar innerhalb eines Einrichtungshauses wechseln.»
Sammeldeklarationen sind grundsätzlich legal
Zugleich betont Ikea, seine Produkte seien daher online «stets deklariert und jederzeit abrufbar». Dieses Verfahren entspreche selbstverständlich den geltenden Regeln: «Die Herkunftsbezeichnung entspricht den gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz», hält die Sprecherin fest.
Dies bestätigt auch der Bund. Das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), dessen Büro für Konsumentenfragen für die Kontrolle der Holzdeklaration zuständig ist, schreibt auf Anfrage: «Gemäss der Verordnung über die Deklaration von Holz und Holzprodukten können mehrere mögliche Herkunftsländer angegeben werden, wenn das Holz nicht einem Herkunftsland klar zugeordnet werden kann.»
Wenn mehr als fünf Länder in Betracht kommen, dürfe in den Herkunftsangaben der jeweils «kleinstmögliche geografische Raum» genannt werden.
Dass dabei als offizielle Holzquelle «Skandinavien, China, Osteuropa, Westeuropa, Baltikum, Slowenien» auf einem Produkt stehen kann, sehen die Beamten in Bern offenbar nicht als Problem. Von Blick nach Sinn und Zweck einer solchen Holzdeklaration gefragt, teilt ein WBF-Sprecher mit: «Durch die Angabe der Holzart und der Herkunft des Holzes sind die Konsumentinnen und Konsumenten in der Lage, eine bewusste Entscheidung für das Holzprodukt zu treffen, das sie kaufen.»
Keine Busse trotz mangelhafter Deklaration
Ikea-Kunden könnten das anders sehen, der Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds erst recht. Lukas Straumann wirft dem Bund vor, Ikea und anderen Möbelhändler bei der Holzdeklaration zu wenig auf die Finger zu schauen: «In den Erläuterungen zur Holzdeklaration-Verordnung wird eindeutig darauf hingewiesen, dass Sammeldeklarationen Ausnahmen bleiben sollten. Bei Ikea wird das aber nicht ausnahmsweise, sondern regelmässig gemacht.»
Zu befürchten hat das Unternehmen deshalb kaum etwas. Das WBF, so Straumann, zeige wenig Neigung, Polizist zu spielen: «2021 hat das WBF ein Verwaltungsstrafverfahren wegen mangelhafter Holzdeklarationen eingestellt, nachdem Ikea Verbesserungen in Aussicht gestellt hat. Geahndet wurden die festgestellten Verstösse nicht.»
Das WBF sieht die Sachlage anders. Laut einem Sprecher habe das Büro für Konsumentenfragen nach Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens Kontrollen in verschiedenen Ikea-Filialen durchgeführt. Dabei habe sich gezeigt, dass die Vorschriften zur Holzdeklaration nun «zufriedenstellend» eingehalten würden – und es bestehe kein Anlass mehr für weitere Verwaltungsstrafverfahren gegen Ikea.