Snowboard-Star öffnet sich
Pat Burgener spricht über dunkle Stunden in seiner Kindheit

In seiner Kindheit denkt Pat Burgener an Suizid. Der Aussenseiter wird nirgends ernst genommen. Snowboard und Gitarre geben ihm die Lebensfreude zurück.
Publiziert: 24.01.2024 um 20:13 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2024 um 15:35 Uhr
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Der Traum von einer Sportlerkarriere hatte Pat Burgener seit kleinauf.
Foto: Keystone
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Nicola Abt
Schweizer Illustrierte

Die Fingernägel von Pat Burgener (29) werfen bereits bei der Begrüssung Fragen auf. Hat er eine Wette verloren? Oder war ihm einfach langweilig? «Nein, nein», sagt der Lausanner und lacht. Er fährt sich durch seine schulterlangen Haare. «Ich kaue oft an meinen Nägeln», gesteht er. Um damit aufzuhören, malt der Westschweizer sie an. Mond, Sonne und Sterne sind zu erkennen. «Ich will meine ‹Kunstwerke› nicht zerstören, also lasse ich die Nägel in Ruhe.»

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

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Pat Burgener sitzt in seiner Wohnung in Crans-Montana VS. Hier wohnt er im Winter. Sein Urgrossvater, ein Architekt, baute das doppelstöckige Holzhaus einst direkt neben der Talstation. «Darum ist er mein Held», sagt Burgener schmunzelnd. Ein Held ist auch Pat Burgener selbst. Einer, der ein besonderes Schicksal gemeistert hat. Einer der weltbesten Snowboarder und ein aufstrebender Musiker. Der im vergangenen Frühling sein erstes Album herausbrachte, der in der Halfpipe bereits zweimal WM-Bronze holte.

Doch nicht immer stand Burgener auf der Sonnenseite des Lebens. Bereits als Achtjähriger träumt er von einer Sportlerkarriere. «Dafür wurde ich jahrelang belächelt.» Immer wieder hört er dieselben Fragen: Was ist, wenn du dich verletzt? Wenn du nicht gut genug bist? Niemand glaubt an eine erfolgreiche Zukunft des kleinen Pat. Auch die Familie hegt Zweifel. Der Grund: Pat hat ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung).

Heute nennt er es seine «Superkraft», doch damals kann er sich in der Schule nicht konzentrieren, hat Mühe mit Lesen. Nach den Pausen taucht er schon mal 30 Minuten zu spät im Klassenzimmer auf. «Lieber spielte ich Fussball oder Basketball. Ich war ein Rebell, ein Aussenseiter.» Er fliegt von fünf verschiedenen Schulen, leidet.

In dieser Zeit, im Alter zwischen acht und zwölf Jahren, entwickelt er dunkle Gedanken. «Ich wollte mich umbringen.» Seine Mutter, Pauline Burgener (62) eine gebürtige Libanesin, sollte ihm dabei behilflich sein: «Ich sagte zu ihr, dass sie mich zu einer Brücke bringen soll.» Dort wollte er in den Tod springen. Erzählt er davon, wirkt Burgener erstaunlich gefasst. Mit seiner Mutter und Vater Hervé Burgener (61) hat er bis heute kaum über diese Zeit gesprochen. Ab und zu wird er im Alltag mit seiner Vergangenheit konfrontiert. «Wenn ich über eine Brücke laufe und hinunterschaue, wird mir wieder bewusst, dass ich einmal hinunterspringen wollte. Das sind sehr schwierige Momente.»

Dass er nie gesprungen ist, verdankt Pat Burgener seinen Eltern. «Sie standen immer hinter mir.» Auch, als er mit 13 Jahren selbstständig seine Schulzeit für beendet erklärt. «Ich wollte meinen Traum als Profi-Snowboarder leben.» Komplette Erfüllung findet er jedoch erst einige Jahre später – in der Musik. Die Gitarre ist seither neben dem Snowboard seine treuste Begleiterin. Trotz harzigem Anfang. In der Snowboardszene erntet Pats neues Hobby harte Kritik. «Meine eigenen Vorbilder nannten meine Musik scheisse!»

Bezugsperson: Mutter Pauline Burgener steht Pat Burgener – hier mit fünf Jahren – auch in seiner schwersten Zeit bei.
Foto: ZVG

Keine Zeit für Après-Ski

Was ihn erst trifft, nutzt er später als Motivation. Die negativen Kommentare verstummen. Während sich die Snowboard-Konkurrenz im Sommer erholt, spielt Pat Burgener über 30 Konzerte in Europa. Im Elektrobus fährt er von Auftritt zu Auftritt. Kein Weg ist ihm zu weit. «Ich bin täglich im Überlebensmodus.» Weil er keinen Schulabschluss hat, muss entweder seine Musik- oder die Sportkarriere funktionieren. Entsprechend fokussiert meistert er den Alltag. «Seit ich klein bin, gebe ich alles für den Erfolg. Alles andere ist zweitrangig – auch eine Freundin.»

Jeden Abend läuft der Single in Crans-Montana an einer Après-Ski-Bar vorbei ins Fitnessstudio. Oft sieht er Bekannte, die ihn zum Trinken ermutigen wollen. «Ich erkläre ihnen dann, dass ich andere Ziele im Leben habe, und gehe weiter.» Ob sich das finanziell lohnt? Burgener zuckt mit den Schultern. «Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld ich besitze.» Sein älterer Bruder Marc-Antoine (31) kümmert sich um seine Finanzen.

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