Darum gehts
- Andri Ragettli spricht vor der Heim-Weltmeisterschaft über seine schwierige Kindheit
- Der Freestyle-Superstar wuchs ohne seinen Vater auf und wurde in der Schule belächelt
- Inzwischen darf er sich Millionär nennen – auch dank seiner Videos in den sozialen Medien
Christina Ragettli beobachtet ihren kleinen Bruder ganz genau. «Schau, dass dein Rücken gerade ist», ruft sie ihm zu. Freestyle-Superstar und Social-Media-König Andri Ragettli (26) sitzt für das Fotoshooting auf einem Stein am Caumasee in Flims GR. Später stürzt sich der Bündner ins 5 Grad kalte Wasser. Das Eisbaden gehört zu seinen Ritualen. «Es ist eine Art mentales Training. Immer wieder muss ich meinen inneren Schweinehund überwinden.» Zurück im warmen Familienhaus, wo Ragettli noch immer wohnt, beginnt er aus seinem bewegten Leben zu erzählen.
Blick: Herr Ragettli, sind Sie ein Weichei?
Andri Ragettli: (Lacht.) Nein, sicher nicht.
So hat Sie aber einst eine Mentaltrainerin bezeichnet.
Stimmt! Das war als Zwölfjähriger in der Talentschule in Ilanz. Wir absolvierten ein zweitägiges Survival Camp. Dabei beobachtete uns die Mentaltrainerin von NHL-Spieler Nino Niederreiter. Während der Wanderung auf den ersten Berg habe ich ein Schinkengipfeli gegessen, mit dem irgendetwas nicht mehr stimmte. Oben angekommen, musste ich mich übergeben.
Und dann?
Wurde ich nach Hause geschickt. Ein paar Tage später kam es zum Abschlussgespräch des Survival Camps mit ihr. Dort nannte sie mich ein «Weichei».
Wie haben Sie reagiert?
Gar nicht. Ich war so wütend, dass ich ihr nicht richtig zugehört habe. In dieser Zeit hatte ich oft Migräneanfälle und musste mich übergeben. Später stellte sich heraus, dass ich am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt war.
Andri Ragettli wird am 21. August 1998 als jüngstes von drei Kindern geboren. Der Blondschopf wächst ohne Vater in Flims GR auf. Dieser kommt bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Der Sport prägt Ragettlis Alltag von Geburt an. Bis zu seinem elften Lebensjahr spielt er Eishockey, Fussball, Tennis, fährt mit dem Bike Downhill-Trails, versucht sich als Windsurfer und Taucher, macht die Platzreife als Golfer und gewinnt den Churer Stadtlauf. Am liebsten fährt er aber Freeski. Über die Sportmittelschule in Engelberg kommt er an die Weltspitze. Mittlerweile darf er sich Slopestyle-Weltmeister nennen. In derselben Disziplin gewann Ragettli bereits drei Mal den Gesamtweltcup. Weltweit bekannt wurde er durch seine Parcours-Videos. Heute lebt Ragettli bei seiner Mutter in Flims.
Andri Ragettli wird am 21. August 1998 als jüngstes von drei Kindern geboren. Der Blondschopf wächst ohne Vater in Flims GR auf. Dieser kommt bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Der Sport prägt Ragettlis Alltag von Geburt an. Bis zu seinem elften Lebensjahr spielt er Eishockey, Fussball, Tennis, fährt mit dem Bike Downhill-Trails, versucht sich als Windsurfer und Taucher, macht die Platzreife als Golfer und gewinnt den Churer Stadtlauf. Am liebsten fährt er aber Freeski. Über die Sportmittelschule in Engelberg kommt er an die Weltspitze. Mittlerweile darf er sich Slopestyle-Weltmeister nennen. In derselben Disziplin gewann Ragettli bereits drei Mal den Gesamtweltcup. Weltweit bekannt wurde er durch seine Parcours-Videos. Heute lebt Ragettli bei seiner Mutter in Flims.
Was ist Ihnen von der Talentschule Ilanz sonst noch in Erinnerung geblieben?
Es war eines meiner schwierigsten Jahre. Als Freeskier nahm mich damals noch niemand ernst. Von den einigen Lehrern und Mitschülern wurde ich belächelt. Es hiess, der hüpft ja nur ein wenig auf dem Trampolin herum. Solche Aussagen haben mich gestört.
Stimmt es, dass auch Ihre Lieblingsfarbe ein Problem war?
Ja. Ich mochte Hellblau und hatte deshalb Hallenturnschuhe in dieser Farbe. Sie sahen sehr feminin aus. Was sofort zu ein paar dummen Sprüchen führte. Ausserdem war ich damals noch sehr klein und zierlich.
Haben Sie solche Sprüche verunsichert?
(Überlegt.) Nein, sie machten mich stärker. Ich wollte allen zeigen, was ich draufhabe. Ich gebe Ihnen ein Beispiel.
Erzählen Sie.
Jeder Schüler musste einen Ball so weit wie möglich werfen. Als ich an der Reihe war, stand der Lehrer, der die Weite mass, ein paar Meter von mir entfernt. Ich habe ihm gesagt, dass er viel weiter nach hinten gehen muss. Er lächelte nur. Also warf ich den Ball so weit, dass er gar nicht richtig sah, wo er landete. Das hat mir Respekt verschafft und mein Selbstvertrauen gestärkt.
Nach einem Jahr wechselten Sie an die Sportmittelschule Engelberg. Wie wurden Sie dort empfangen?
Ich musste zwei Minuten in einem Gletscherbach stehen und wurde dann gezielt überall mit Brennnesseln berührt. Die Nacht danach war der Horror. Mittlerweile wurde dieses Aufnahmeritual abgeschafft. Und weil ich der Jüngste war, haben mich die Älteren immer wieder in den Brunnen geworfen. Aber da mussten alle einmal durch, für mich war das nicht schlimm.
Wie gross war damals Ihr Freundeskreis?
Nicht riesig. Der Kontakt zu meinen Kollegen in Flims brach ab, weil ich ja quasi nie zu Hause war. Das ist schade, aber ich habe meine Prioritäten bewusst anders gesetzt. In Engelberg profitierte ich von super Trainingsbedingungen. Wer erfolgreich sein will, muss auf gewisse Dinge verzichten.
Auch auf Partys?
Nicht unbedingt (lacht). Aber ich kann sehr gut ohne. Mein Idol Cristiano Ronaldo hat mich da sicher geprägt. Auch durch seinen Einfluss habe ich seit mehr als fünf Jahren keinen Schluck Alkohol mehr getrunken. Früher spielte ich auch sehr gerne Fussball, aber ich wollte alleine für meine Leistung verantwortlich sein.
Inwiefern war Ihr drei Jahre älterer Bruder Gian ein Vorbild?
Ich habe zu ihm aufgeschaut und wollte das, was er konnte, auch können. Zwischen uns war alles immer ein Wettkampf. Wer ist schneller zu Hause? Wer kann den Schneeball weiter werfen? Wer ist besser im Fussballgame Fifa?
War er eine Art Vaterfigur für Sie?
So weit würde ich nicht gehen. Aber wenn man ohne Vater aufwächst, hat der ältere Bruder sicher eine grössere Bedeutung. Ich durfte sehr viel von ihm lernen.
Ihr Vater starb, als Sie ein Jahr alt waren. Wann haben Sie bewusst realisiert, dass er fehlt?
Ich erinnere mich an Momente, in denen ich andere Kinder mit ihren Eltern spielen sah. Das war teilweise sehr schwierig. Aber da ich mich nicht an meinen Vater erinnere, kannte ich es nicht anders.
Wie erlebten Sie die Schulzeit als Halbwaise?
Wir wissen alle, wie Kinder sind. Die überlegen teilweise nicht weit. Einige Sprüche taten schon sehr weh und haben mich beschäftigt. Zum Glück konnte ich mich in solchen Momenten immer auf die Familie verlassen. Der Tod meines Vaters hat uns noch enger zusammengeschweisst.
Mittlerweile hilft die ganze Familie bei den Projekten von Andri Ragettli mit. Bruder Gian filmt seine Videos, die teilweise über 200 Millionen Mal angeschaut werden. Schwester Christina kümmert sich um die PR-Arbeit. Mutter Bea ist für die Buchhaltung, den Fanshop und die Fanpost verantwortlich.
Wie muss ich mir die Lohnverhandlungen unter Familienmitgliedern vorstellen?
Christina Ragettli: (Lacht.) Es hat gar keine gegeben.
Andri Ragettli: Doch, doch. Ich habe schon ein oder zwei Gespräche geführt. Wichtig ist mir, dass es für alle stimmt. Bei Christina und meiner Mutter ist es etwas Besonderes, weil sie nur in geringem Umfang angestellt sind. Anfangs konnte ich ihnen für ihre Arbeit noch nicht viel bezahlen.
Das dürfte sich geändert haben. Sind Sie mittlerweile sogar Sport-Millionär?
Ja, ich bin Millionär. Etwas freut mich daran ganz besonders. Ich habe damit gezeigt, dass man auch als Athlet aus einer Randsportart gut Geld verdienen kann. Darauf bin ich stolz.
Wie haben Sie das geschafft?
Dank harter Arbeit. Es braucht viel, um im Freestyle-Sport und auf Social Media sehr gut zu sein. Dank dieser Kombination bin ich für Sponsoren so interessant. Weil ich beides unglaublich gerne mache, fällt es mir bestimmt auch leichter als anderen.
Viral gingen Sie mit Ihren Parcours-Videos. Für Blick wollten Sie keines machen. Weshalb?
Ich habe es für einige Zeit gesehen. Nach den immer neuen und schwierigeren Parcours wusste ich irgendwann nicht mehr, was ich noch machen sollte. Kann aber gut sein, dass ich irgendwann eine neue Idee habe und diese umsetze, das lasse ich mir offen.
Würden Sie sich als Influencer bezeichnen?
Nein! Das Wort Influencer stört mich. Wenn, dann bin ich ein Content Creator. Jemand, der Inhalt für andere produziert. Ich möchte die Leute unterhalten. Mein Fokus liegt aber ganz klar auf dem Sport – in erster Linie bin ich Athlet.
Ende März steht die Weltmeisterschaft in St. Moritz an. Was dürfen wir von Ihnen erwarten?
Ich will erneut Weltmeister werden. Dafür muss ich aber meine besten Tricks landen. Und gleichzeitig hoffen, dass diese von der Jury gut bewertet werden.
In dieser Saison wollte das noch nicht klappen.
Das gewisse Etwas für den Sieg hat immer gefehlt. Wichtig ist, dass ich konstant gut springe. Für die WM habe ich mir noch einige spezielle Dinge überlegt. Das betrifft vor allem die Tricks. Es ist ein schwieriger Kurs, was mir entgegenkommt.
Am Montag fällt der Startschuss zur Freestyle-WM in St. Moritz GR. Die Wettkämpfe finden in den Skigebieten Corviglia und Corvatsch statt. Über 1500 der weltbesten Athletinnen und Athleten kämpfen in 17 verschiedenen Disziplinen um 90 Medaillen. Der erste Weltmeistertitel wird am Dienstag auf der Buckelpiste vergeben. Die zwei Tessiner Enea Buzzi und Martino Conedera wollen über sich hinauswachsen. Am gleichen Tag beginnt für Freeskier Andri Ragettli die Heim-WM. Der Bündner bestreitet die Qualifikation in der Disziplin Slopestyle. Zwei Tage später fällt die Entscheidung im Parallelrennen auf der Buckelpiste. Interessant aus Schweizer Sicht wird es am Wochenende. Bei den Skicrossern haben wir am Samstag mit Ryan Regez, Alex Fiva und Fanny Smith drei heisse Medaillenkandidaten. Dasselbe gilt für die Freeskier im Slopestyle. Neben Ragettli dürfen wir uns vor allem auf Mathilde Gremaud und Olympiasiegerin Sarah Höfflin freuen. Medaillenchancen haben wir auch am Sonntag beim Mixed Team Event der Skicrosser. Nur Aussenseiterchancen hat die Schweiz beim Slopestyle-Final der Snowboarder. Gleiches gilt für den Parallel Mixed Team Event im Snowboard alpin.
Am Montag fällt der Startschuss zur Freestyle-WM in St. Moritz GR. Die Wettkämpfe finden in den Skigebieten Corviglia und Corvatsch statt. Über 1500 der weltbesten Athletinnen und Athleten kämpfen in 17 verschiedenen Disziplinen um 90 Medaillen. Der erste Weltmeistertitel wird am Dienstag auf der Buckelpiste vergeben. Die zwei Tessiner Enea Buzzi und Martino Conedera wollen über sich hinauswachsen. Am gleichen Tag beginnt für Freeskier Andri Ragettli die Heim-WM. Der Bündner bestreitet die Qualifikation in der Disziplin Slopestyle. Zwei Tage später fällt die Entscheidung im Parallelrennen auf der Buckelpiste. Interessant aus Schweizer Sicht wird es am Wochenende. Bei den Skicrossern haben wir am Samstag mit Ryan Regez, Alex Fiva und Fanny Smith drei heisse Medaillenkandidaten. Dasselbe gilt für die Freeskier im Slopestyle. Neben Ragettli dürfen wir uns vor allem auf Mathilde Gremaud und Olympiasiegerin Sarah Höfflin freuen. Medaillenchancen haben wir auch am Sonntag beim Mixed Team Event der Skicrosser. Nur Aussenseiterchancen hat die Schweiz beim Slopestyle-Final der Snowboarder. Gleiches gilt für den Parallel Mixed Team Event im Snowboard alpin.