Bei dieser Frau ist Planung alles. Denn Anja Weber hat das ganze Jahr über Saison. Kaum legt sie ihre Langlauf-Skier ab, schwimmt, radelt und läuft sie bereits ins nächste Abenteuer. Dann ist Triathlon-Zeit für die Zürcher Oberländerin, die klipp und klar von sich sagt: «Ich brauche beides. Hätte ich das eine nicht mehr, wäre ich im anderen nicht mehr so gut. Schlicht, weil es mir nicht mehr gleich viel Spass machen würde. Und das ist mir das Wichtigste.»
Die 21-Jährige gehört als amtierende U23-Weltmeisterin über 10 Kilometer in der klassischen Technik sowie als Olympia-Teilnehmerin von Peking zu den grossen Langlauf-Hoffnungen der Schweiz. Gleichzeitig tastet sie sich auch im Triathlon immer weiter nach oben.
2020 machte ihr die Corona-Pandemie mit vielen Absagen einen Strich durch die Rechnung, 2021 war es eine Herzmuskelentzündung. In diesem Jahr aber hat sie mit der ersten U23-Elite-Saison und ersten Weltcup-Einsätzen einen grossen Schritt gemacht. «Im Schwimmen und auf dem Velo kann ich mit den Besten gut mithalten, dafür muss ich im Laufen noch zulegen», sagt Weber.
«Man hat mir oft gesagt, ich müsse mich entscheiden»
Ihre Ziele steckt die Athletin hoch und ambitioniert, aber in einem realistischen Zeitrahmen, wie sie findet. Weber will sowohl an die Winterspiele 2026 in Mailand als auch an die Sommerspiele 2028 in Los Angeles. Für den Triathlon würde Paris 2024 wohl «noch zu früh» kommen, meint sie.
Angst, dass sie nicht beide Herausforderungen und die entsprechenden Vorbereitungen unter einen Hut bringen wird, hat sie keine: «Die Sportarten ergänzen sich das ganze Jahr über gut, ich muss einfach die Einheiten gut planen. Man hat mir oft gesagt, ich müsse mich für etwas entscheiden. Doch für mich ist das so der richtige Weg.»
Ob dieser sie bald in beiden Sportarten an die Weltspitze führt? Aktuell ist Langlauf – mit der WM Ende Februar in Planica (Slo) – bei Weber priorisiert. Doch das lässt sich bei der Planungs-Weltmeisterin leicht justieren, sollten einst tatsächlich Olympische Sommerspiele in Reichweite sein.
Muss im Sommer und im Winter in Top-Form sein
Ganz ohne Kompromisse kommt das ganze Vorhaben aber nicht aus, wie ihr Trainer Michi Rüegg verrät. Er ist es, der die Belastungssteuerung übers ganze Jahr im Überblick hat – und sagt: «Eine Langläuferin muss nur im Winter in Form sein, eine Triathletin nur im Sommer. Aber Anja muss diese Höchststufe der Leistungsfähigkeit zweimal im Jahr erreichen. Das geht nur, wenn man Prioritäten und Ziele setzt.» Und gleichzeitig in Kauf nehme, beispielsweise zu Beginn der Wintersaison der Form noch hinterherzulaufen.
Das dürfte auch in diesem Winter so sein. Heisst konkret: Weber verzichtet im Triathlon auf den Saisonfinish, der sich bis in den November zieht, baut gleichzeitig für die Langlauf-Saison auf – und lässt bewusst die ersten Weltcup-Stationen im hohen Norden aus. Erst beim Heimweltcup Mitte Dezember in Davos wird sie eingreifen.
Ester Ledecka (27) ist die letzte Sportlerin, die es geschafft hat, in zwei verschiedenen Sportarten Olympiasiegerin zu werden. Die Tschechin triumphierte 2018 sowohl im Snowboard-Parallel-Slalom als auch als Skirennfahrerin im Super-G. Der Kreis der Athleten, die sowohl an Sommer- und Winterspielen erfolgreich waren, ist jedoch bedeutend kleiner. Bloss sieben Sportlern ist es gelungen, mindestens je eine Medaille zu holen. Der US-Amerikaner Edward Eagan (1897–1967) ist bis heute der Einzige, der zweimal Gold einheimste. 1920 im Boxen und 1932 im Viererbob. Aus Schweizer Sicht sticht Edy Hubacher (82) hervor. Der Berner war an den Sommerspielen 1968 in Mexiko-Stadt als Kugelstösser (15. Platz) und Diskuswerfer (25.) am Start. Später wechselte er in den Viererbob und wurde 1972 in Sapporo Olympiasieger (im Bild).
Ester Ledecka (27) ist die letzte Sportlerin, die es geschafft hat, in zwei verschiedenen Sportarten Olympiasiegerin zu werden. Die Tschechin triumphierte 2018 sowohl im Snowboard-Parallel-Slalom als auch als Skirennfahrerin im Super-G. Der Kreis der Athleten, die sowohl an Sommer- und Winterspielen erfolgreich waren, ist jedoch bedeutend kleiner. Bloss sieben Sportlern ist es gelungen, mindestens je eine Medaille zu holen. Der US-Amerikaner Edward Eagan (1897–1967) ist bis heute der Einzige, der zweimal Gold einheimste. 1920 im Boxen und 1932 im Viererbob. Aus Schweizer Sicht sticht Edy Hubacher (82) hervor. Der Berner war an den Sommerspielen 1968 in Mexiko-Stadt als Kugelstösser (15. Platz) und Diskuswerfer (25.) am Start. Später wechselte er in den Viererbob und wurde 1972 in Sapporo Olympiasieger (im Bild).
Mit diesen speziellen Mittelwegen, um eben auf zwei Hochzeiten tanzen zu können, arrangiere sie sich gerne, sagt Weber: «Ich freue mich jeweils riesig auf die gerade anstehende Saison. Ich ziehe meine Energie aus beiden Sportarten.»
Hippolyt Kempf, Ex-Nordisch-Direktor bei Swiss-Ski und langjähriger Begleiter von Weber, attestiert ihr einen «brutalen Fleiss», sieht aber punkto Vermarktung ein zu lösendes Problem: «Welchen Ausrüster präsentiert sie? Wie tritt sie öffentlich auf? Da können künftig handfeste ökonomische Interessen von zwei Verbänden im Spiel sein. Die müssen sich finden – spätestens dann, wenn Anja aufgrund von Erfolgen noch mehr in den Medien ist.» Und das, meint Kempf, dürfte nur eine Frage der Zeit sein.