Dario Cologna. Der Name steht für Erfolg. Für Talent, Willen, Fokus, Ausdauer. Und Ruhe. Ruhe? In seiner neuen Biografie lassen Cologna und zahlreiche Weggefährten durchblicken: Der Mann, der jahrelang als wenig emotional und fast schon introvertiert dargestellt wurde, kann auch ganz anders.
Cologna setzte früh alles auf die Karte Langlauf. Doch es gab auch ein Leben daneben. «Mit 16 gibt es schon auch andere Abenteuer. Im Internat wurde gekifft, und ich war immer der Typ, der alles gerne testete», verrät er in seinem Buch: «Ich war ein Schlitzohr und ein Rebell. Aber der Fokus blieb. Ich ging meinen Weg trotz aller Versuchungen.»
Cologna mochte oft cool und zurückhaltend gewirkt haben, wer ihn kennt, weiss aber, dass er um keinen Spruch verlegen ist. Sein Ex-Teamkollege Jonas Baumann erzählt von einem Training mit den Rollskiern auf einer Strasse. Die verärgerten Autofahrer hätten die Gruppe am liebsten angefahren. Als einer meinte, die Strassen seien schon gefährlich genug, habe Cologna trocken entgegnet: «Dann geh doch runter von der Strasse.» Curdin Perl, ein anderer Teamkamerad, berichtet von einem Streich im Trainingslager in Skandinavien, als die beiden über Nacht dem am nächsten Vormittag ankommenden Trainer dessen Bungalow zuschaufelten: «Bis der Eingang unter den Schneemassen verschwand.»
Seine Schwester Andrea, die absolute Chefin unter den Geschwistern, erklärt, Dario habe es auch nicht so mit der Pünktlichkeit gehabt: «Wir mussten als Familie immer auf ihn warten. Nur Gianluca (der vier Jahre jüngere Bruder, d. Red.) war noch schlimmer.»
Und: Selbst ein Dario Cologna, der vermeintliche Mister Unaufgeregt, scheint manchmal die Beherrschung zu verlieren. Roman Furger, vierfacher Engadiner-Sieger, sagt: Viele würden gar nicht wissen, dass Cologna beim Anthony-Modeste-Song «total abgeht». Diese Seite bestätigt auch Baumann, der von der Fussball-EM 2021 und Italiens Titelgewinn erzählt: «So hatte ich Dario in all den Jahren nie jubeln sehen.»
Den totalen Verzicht gabs bei Cologna trotz strikten Trainingsplänen und dem von allen Seiten bestätigen «unglaublichen Fokus» nie. Cologna gibt im Buch zu: «Einer Party unter Freunden war ich nie abgeneigt. Und ich habe immer gerne und gut gegessen. Ein Asket war ich nie.» Alkohol während der Saison gönnte er sich genauso mal, wie Essen, auf das er gerade Lust hatte. Stets mit Mass, aber ohne Ernährungsberater. Cologna: «Während der Saison nahm ich ein Risotto statt Pommes Frites. Dessert eher nicht. Aber es gab keine Tabus. Meine Kollegen übertrieben es manchmal, assen Salat zum Frühstück.»
Auch zum Thema Sex vor Wettkämpfen äussert Cologna im Buch keine totale Ablehnung: «Sex ist weder leistungsdämpfend noch leistungsfördernd. Aber der Fokus ist woanders. Als Ablenkung wäre er allenfalls sinnvoll, aber aus praktischen Gründen nicht umsetzbar. An den Wettkampforten sind die Partner nicht dabei.»
Nach der enttäuschenden WM 2011 sah sich Cologna gezwungen, auf den Tisch zu hauen. Der Saison-Dominator hatte in Norwegen gegen die lokale Konkurrenz keine Chance. Das Schweizer Lager bekam die Verhältnisse in Oslo schlicht nicht in den Griff. «Wir hatten miese Ski», sagt Cologna klipp und klar.
Es brodelte intern. Hippolyt Kempf, damals Chef Langlauf bei Swiss Ski, stellte innerhalb des Verbands ein Ultimatum: Entweder grössere Unterstützung im Servicebereich, oder er würde sein Amt zur Verfügung stellen. Die Drohung wirkte. Es wurde zünftig investiert. Einen verärgerten Cologna konnte und wollte man sich nicht leisten. Rückblickend sagt dieser: «Wir hätten vielleicht besser mal einen Ausländer in unser Team geholt. Frische Ideen von aussen beleben ein Team. Aber die Verantwortlichen von Swiss Ski hätten es auch zulassen müssen. Sie hätten mutiger sein sollen. Man darf nie den Anschluss verlieren!»