Neu-Schweizer Tschernoussow nach erstem Langlauf-Einsatz
«Ich vermisse nichts an Russland»

Ilja Tschernoussow absolvierte sein erstes Rennen als Schweizer. Sportlich war der Auftritt noch schwach, emotional aber etwas ganz Besonderes für den Mann von Selina Gasparin. Die russische Vergangenheit liege weit hinter ihm.
Publiziert: 10.12.2020 um 08:46 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2020 um 15:48 Uhr
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Ilja Tschernoussow zeigt Flagge. Der Langläufer aus Nowosibirsk (Rus) startet neuerdings für die Schweiz.
Foto: TOTO MARTI
Stefan Meier

Die Schweiz hat einen neuen potenziellen Langlauf-Star. Kein junger Nachwuchs-Athlet, sondern einen gestandenen Medaillengewinner. Ilja Tschernoussow, der für Russland schon WM- und Olympia-Bronze geholt hat, gab am Wochenende sein Debüt für die Schweiz.

In Ulrichen VS startete der Ehemann unserer Biathlon-Pionierin Selina Gasparin beim Continental Cup erstmals mit dem Roten Pass. Noch nicht als Swiss-Ski-Athlet, sondern als Kadermitglied des Bündner Skiverbands. Das Ergebnis ist aber ernüchternd. Über 15 km Skating im Einzelstart wird er 51., verliert dabei fast dreieinhalb Minuten auf den Russen Artjom Malzew. Und zweieinhalb Minuten auf Dario Cologna, der als Zehnter ebenfalls enttäuscht.

«Schade, dass es schlecht war»

«Ich bin nicht zufrieden mit dem ersten Rennen für die Schweiz. Es ist schade, dass es schlecht war», sagt Tschernoussow unumwunden. Dass er derart weit hinten ist, hätte der 34-Jährige nicht erwartet. Doch weil er nicht mehr für Russland laufen wollte, liegt sein letztes vergleichbares Rennen fünf Jahre zurück. Die Ski-Marathons, die er in den letzten Jahren absolvierte, sind etwas komplett anderes. Ausserdem war er zuletzt noch zwei Wochen krank. Nun wisse er, woran er ist. Und woran er im Training noch arbeiten muss.

Emotional was das erste Rennen sowieso ein Highlight. «Ich lebe schon lange in der Schweiz und ich musste lange darauf warten. Und ich wusste ja den ganzen Sommer bis zum Schluss nicht, ob ich den Pass erhalte und starten kann diesen Winter», erläutert der Mann aus Nowosibirsk. Er sei letztlich einfach froh gewesen, antreten zu dürfen. «Es war wirklich erfüllend. Da waren nur positive Gefühle, ich hatte praktisch ein Schweizer Kreuz im Kopf während des Laufens.»

«Ich vermisse nichts an Russland, das ist vorbei»

Einen Gedanken an Russland verschwendet der Neu-Schweizer dabei kaum. Er sei viel für die Russen gestartet, hätte seinen Job dort ordentlich gemacht. Doch sogar bei seinem Olympia-Medaillengewinn in Sotschi 2014 kurz vor der Hochzeit mit Selina Gasparin war die Schweiz schon fest in seinem Herzen. «Ich habe da schon mehr Zeit in der Schweiz als in Russland verbracht. Ich kann nicht sagen, dass ich etwas vermisse aus Russland. Klar, die Familie fehlt mir», räumt Tschernoussow ein. Doch mit der sei er ja ständig in Kontakt. Die Mutter besucht ihn, Selina und die beiden gemeinsamen Kinder Leila (5) und Kiana (2) in Lantsch GR. Nur jetzt halt wegen Corona nicht.

Der Rest? Vergangenheit! «Sportlich vermisse ich nichts an Russland. Das ist vorbei. Meine Familie ist hier in der Schweiz, ich habe hier gute Freunde. Das ist mein Land, hier bin ich daheim. Und ich will zeigen, dass ich gut bin für dieses Land.»

Der Traum von Olympia für die Schweiz

Bevor er dies auf oberster Ebene tun kann, dauert es eine Weile. Tschernoussow wird erst Leistung zeigen müssen, ehe er es in ein Swiss-Ski-Kader schafft. Das und Einsätze im Weltcup sind das erklärte Ziel für diese Saison.

Und in der Ferne dann vielleicht irgendwann ein Olympia-Aufgebot. «Ich muss mich natürlich zuerst qualifizieren. Aber ich wäre sehr froh, wenn ich bei Olympia für die Schweiz starten könnte», sagt Tschernoussow. «Ich würde der Staffel sehr gerne helfen. Aber das ist noch weit weg.»

Zuerst heisst es, die Form finden. Und geniessen. Denn Tschernoussow freut sich, wie gut er in der Schweiz aufgenommen wird. «Viele Leute haben mir gratuliert. Auch hier in Lantsch. Die Leute sind sehr positiv. das zeigt mir auch, dass es ein wichtiger Schritt war in meinem Leben.»

Den Berner vom Bündner unterscheiden

Einfach war dieser Schritt nicht. Der Pass sei ihm nicht geschenkt worden. Er musste viel lernen. «Ich weiss nun viel über die vier Sprachen zum Beispiel, über den Röstigraben und auch etwas über die Geschichte des Landes. Das war spannend», schildert Tschernoussow. «Auch Deutsch lerne ich noch immer. Und die Leute hier beginnen auch schon, Schweizerdeutsch mit mir zu sprechen. Ich verstehe die Sprache. Und ich kann auch schon einen Berner von einem Bündner unterscheiden.»

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