Blick: In der Schweiz ist es schon Vorabend, bei Ihnen in Calgary erst früher Montagmorgen. Wie war die Weltmeister-Party?
Silvana Tirinzoni: Wegen der Corona-Bubble feierten wir nur im kleinen Kreis (schmunzelt). Wir haben uns einfach in einem Hotelzimmer versammelt und etwas Musik laufen gelassen. Es war eine sehr gute Party im kleinen Kreis: Wir vier Spielerinnen, unsere Ersatzfrau, der Physio und die beiden Coaches.
Kleiner Kreis, grosse Getränkebestellung?
Wir haben den Lieferdienst ein paar Mal aufs Zimmer kommen lassen (lacht).
Jetzt nichts wie weg aus dem Hotelzimmer, wo Sie fünf Wochen drin gesteckt haben?
In wenigen Stunden checken wir aus und fliegen heim (geplante Ankunft in Zürich: Dienstag, 11 Uhr, d.Red.), dann sind wir vom Hotelzimmer befreit. Wir durften es nur zum Curling spielen verlassen. Nach der Isolationsphase haben wir zwei Grand-Slam-Turniere und die WM in der Bubble gespielt. Man schläft, man isst, man spielt Curling. Das ist an einer WM sonst auch nicht viel anders. Aber klar, in fünf Wochen wäre man gerne mal in ein Restaurant oder an der frischen Luft spazieren gegangen. Das hat schon gefehlt.
Die Saison ist jetzt vorbei. Können Sie jetzt den ganzen Sommer ausspannen?
Wir können uns keine lange Pause leisten, denn wir haben hohe Ziele. Bereits in neun Monaten finden die Olympischen Spiele statt. Wir haben auch im Sommer Eis, also werden wir in einem Monat bereits wieder mit dem Training beginnen.
Mit den Spielen haben Sie nach Rang 7 in Pyeongchang noch eine Rechnung offen.
In Peking ist eine Medaille unser Ziel, auch wenn das nicht einfach wird.
Aber man könnte sagen: Wer die WM dominiert, schafft es auch in Peking in den Final.
Dafür würde ich sofort unterschreiben. An der WM waren extrem viele Topteams dabei. Aber Länder wie Japan oder Südkorea werden wohl stärker sein, sie waren nicht mit ihren Nummer-1-Teams in Calgary. Ich bin zuversichtlich, dass wir es in Peking schaffen können, auch wenn der Weg noch sehr lang ist.
Wie lässt sich Eure WM-Form neun Monate konservieren?
Wir haben an der WM eine fast perfekte Woche erlebt, aber wir haben immer noch Steigerungspotenzial in verschiedenen Bereichen. Daran werden wir arbeiten. Wir trainieren etwa 50 Prozent im Team in Biel, 50 Prozent jeder bei sich daheim. Wir leben ja ziemlich verstreut in der Schweiz.
Ein Beispiel, was besser werden muss?
Ich will an meiner Technik arbeiten. Mit meinem In-Turn (Drehrichtung des Steins, d.Red.) war ich nicht so zufrieden. Das werde ich im Sommer trainieren.
Zeit dafür ist vorhanden. Sie sind seit 2019 Vollprofi, haben dafür Ihren Bank-Job und die Wohnung gekündigt, wohnen in einer WG in Zürich mit einer Kollegin und leben vom Ersparten.
Ich bereue es überhaupt nicht. In der WG lebe ich sehr gerne, das ist überhaupt kein Opfer. Der finanzielle Aspekt ist der einzige etwas problematische. Aber ich werde nicht ewig Profi sein und irgendwann wieder arbeiten. Doch das ganze Training ist effizienter und qualitativ besser geworden. Die Erholung ist viel besser. Ich spüre einen grossen Unterschied zu vorher.
Ihre WG-Kollegin ist wegen Ihnen zum grossen Curling-Fan geworden?
Sie verfolgt das Geschehen schon intensiv. Ob sie an der WM immer gleich bis 3 Uhr nachts wach geblieben ist, bezweifle ich (schmunzelt). Aber sie wusste immer Bescheid.
Sind Ihre Teamkolleginnen auch eher Freundinnen als Mitspielerinnen?
Es macht riesigen Spass zusammen! Die Spielerinnen zu finden, die wirklich zusammenpassen, ist mit das Schwierigste im Curling. Wir haben grosses Glück, uns als Team gefunden zu haben. Dass wir uns gefunden haben, ist total motivierend für die Zukunft.