Diese Ausgangslage erinnert an die früheren Schweizer Bob-Glanzzeiten. An der Heim-WM in St. Moritz (22.1. bis 5.2.) ist ein Lokalmatador der heisseste Gold-Anwärter. Dieser Mann heisst Jonas Frei (25), ist amtierender Weltmeister und richtig heiss darauf, seinen Titel zum zweiten Mal zu verteidigen.
Seine Kategorie? Frei, im Berufsleben Konstrukteur im 80-Prozent-Pensum, fährt Para-Bob. Die junge Sparte für Behindertensportler ist in St. Moritz erstmals Teil der Bob-WM. Auf einer so grossen Bühne ist der Schwyzer aus Rothenthurm bisher noch nie gestartet.
«In St. Moritz läuft es mir meistens gut, 2021 bin ich dort Weltmeister und 2022 Europameister geworden.» Und auch den Gesamtweltcup fährt er im Engadin ein. Diese Trophäe hat in Freis Stube einen Ehrenplatz. Gleich daneben knistert beim Blick-Besuch ein heimeliges Cheminée-Feuer. Der Weltmeister hat eine Freundin, wohnt aber Teilzeit mit seiner Mutter zusammen. Teilzeit, weil seine Mutter im Sommer auf der Alp ist.
Bob-Idee entstand im Paraplegiker-Zentrum
Am Küchentisch erzählt Frei seine Geschichte, wie er in Rekordzeit an die Weltspitze gefahren ist. Eine Karriere im Eiskanal hatte er nie im Sinn, sein Sport fand im Sägemehl statt. «Kein ganz schlechter Jungschwinger», wie er mit Schmunzeln sagt. Frei steht in seiner ersten Sägemehl-Saison als Aktiver, als nach einem Verkehrsunfall mit dem Roller nichts mehr ist, wie es vorher war.
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Bei der fünfmonatigen Reha im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil LU lernt er mögliche Para-Sportarten kennen. «Leichtathletik war mir zu langweilig. Ich wollte Action. Da hat mich Bob gereizt», schildert Frei, der dann in Lillehammer seine erste Fahrt wagt – es packt ihn sofort.
Was ihm neben dem Adrenalin im Eiskanal auch besonders gefällt: «Bob ist der fairste Para-Sport überhaupt.» Verschiedene Klassen für verschiedene Beeinträchtigungen gibt es nicht, sogar Frauen und Männer starten gemeinsam. Die Schlitten werden auf ein Einheitsgewicht gebracht und sind mit Handbremse ausgerüstete Einheits-Monobobs.
Eine Frage muss Frei immer wieder beantworten
Und der Start ohne funktionierende Beine? «Das ist die Frage, die ich am meisten höre», sagt Frei lachend. Er geht total offen mit seiner Behinderung um und sagt: «Ich fühle mich überhaupt nicht benachteiligt gegenüber einem Fussgänger.» Und die Antwort auf die Start-Frage? Im Para-Bob werden die Schlitten mit einem Katapult in die Bahn geschickt.
Nun ist Frei an der WM der heisseste Schweizer Medaillenanwärter. Sein Traum ist aber ein anderer: Dass Bob eine Paralympics-Sparte wird. «Ändern kann ich meine Beeinträchtigung nicht mehr. Also nehme ich das Gute mit: Als Schwinger hätte ich nie von Olympia träumen können.»