Auf einen Blick
- Neue Sicherheitsinitiative im Bobsport nach schwerem Unfall von Sandro Michel
- Privates Projekt aus Deutschland mit Versicherer Allianz und deutschem Verband
- Safety Sled mit Dutzenden Sensoren sammelt Daten vor Weltcuprennen
Es war einer der schwersten Unfälle in den letzten Jahrzehnten im Bob-Weltcup. Vor einem Jahr überlebt der Schweizer Anschieber Sandro Michel (28) den verhängnisvollen Zwischenfall auf der gefährlichen Bahn in Altenberg (De) knapp. Werden künftig die Bob-Insassen mit neuen Vorkehrungen wie dem aus der Formel 1 bekannten Halo-Sicherheitsbügel oder gar Sicherheitsgurten besser geschützt?
Was absurd klingt, spukt zumindest als Idee durch die Eiskanal-Szene. Denn mit reichlicher Verspätung ist nach dem Michel-Drama doch noch Bewegung in die Sicherheitsfrage gekommen. Es ist eine private Initiative aus Deutschland, die jetzt die Bob-Sicherheit verbessern will. Involviert sind der deutsche Verband BSD und die Allianz.
Allianz bringt durch Technikzentrum Know-how mit
Warum ausgerechnet eine Versicherungsgesellschaft? Weil diese für die Sicherheitsforschung im Autobereich das AZT, das Allianz Zentrum für Technik, betreibt. Und weil der Versicherer in Deutschland Olympia-Partner ist und man sich seit Jahren kennt, sassen eines Tages BSD-Vorstandsmitglieder wie Alexander Resch und Carsten Reinkemeyer, am AZT Leiter Fahrzeugtechnik und Sicherheitsforschung, zusammen und diskutierten über Michels Unfall. Resch sagt zu Blick: «Wir wollten nicht einen Schnellschuss machen. Sondern die Sicherheit im Bobsport in mehreren Etappen erhöhen.»
Der Bob-Winter endet in den nächsten zwei Wochen mit dem Saison-Highlight: WM in Lake Placid (USA). Am ersten Wochenende (8./9. März) gibts die Rennen im Frauen-Monobob und im Männer-Zweier, ehe das zweite Weekend (15./16. März) den Frauen-Zweiern und den Männer-Vierern gehört (SRF live im Online-Stream, teilweise im Free-TV).
Die WM in Amerika ist bei Michael Vogt (27), dem schnellsten Schweizer Piloten, schon seit Jahren im Hinterkopf. Der Grund: Die Medaillenchancen scheinen in Übersee besser zu sein, weil die im Weltcup übermächtigen Deutschen im Gegensatz zu den Eiskanälen in Europa dort nicht nach Belieben trainieren können.
Vogt und der Verband Swiss Sliding hatten deshalb schon von Anbeginn der Karriere des Schwyzers Gastspiele in Lake Placid in den Kalender eingebaut. 2018 etwa Übungsfahrten, 2019 Rennteilnahmen am North-America-Cup auf der Olympiabahn von 1932 und 1980. Warum schon vor sieben Jahren der Fokus auf Lake Placid? Weil die WM eigentlich für 2021 geplant war, doch dann wurde sie wegen der Pandemie abgesagt und auf 2025 verschoben. (md)
Der Bob-Winter endet in den nächsten zwei Wochen mit dem Saison-Highlight: WM in Lake Placid (USA). Am ersten Wochenende (8./9. März) gibts die Rennen im Frauen-Monobob und im Männer-Zweier, ehe das zweite Weekend (15./16. März) den Frauen-Zweiern und den Männer-Vierern gehört (SRF live im Online-Stream, teilweise im Free-TV).
Die WM in Amerika ist bei Michael Vogt (27), dem schnellsten Schweizer Piloten, schon seit Jahren im Hinterkopf. Der Grund: Die Medaillenchancen scheinen in Übersee besser zu sein, weil die im Weltcup übermächtigen Deutschen im Gegensatz zu den Eiskanälen in Europa dort nicht nach Belieben trainieren können.
Vogt und der Verband Swiss Sliding hatten deshalb schon von Anbeginn der Karriere des Schwyzers Gastspiele in Lake Placid in den Kalender eingebaut. 2018 etwa Übungsfahrten, 2019 Rennteilnahmen am North-America-Cup auf der Olympiabahn von 1932 und 1980. Warum schon vor sieben Jahren der Fokus auf Lake Placid? Weil die WM eigentlich für 2021 geplant war, doch dann wurde sie wegen der Pandemie abgesagt und auf 2025 verschoben. (md)
Die aussergewöhnliche Partnerschaft kommt zustande. Resch: «Die Allianz hat das Know-how und auch die finanziellen Möglichkeiten.» Es ist ein bezeichnender Vorgang für die Zustände im Bobsport. Nicht der Dachverband IBSF ist federführend, sondern mit den Deutschen der mächtigste Nationalverband und die Forschungsabteilung einer Versicherungsgesellschaft aus München, die sich mit Autounfällen auskennt und auch bei der Halo-Entwicklung in der Formel 1 mitmischte. Immerhin: Die IBSF gewährt dem neuen Projekt den Zugang im Weltcup.
Sichtbar wird dieser seit Januar vor den Weltcuprennen und nun auch an der WM in Lake Placid (USA). Ein «Safety Sled» (dt.: Sicherheitsschlitten) mit früheren Toppiloten an den Steuerseilen wie zuletzt in St. Moritz die Schweizer Legende Christian Reich rast als Vorfahrerschlitten die Eisrinne runter. Dieser Bob ist mit Dutzenden Sensoren ausgestattet. «Der Safety Sled stand zunächst nicht im Fokus. Doch aus Sicht des Ingenieurs benötigen wir Daten, um ein Bild zu kriegen, was im Eiskanal überhaupt physikalisch passiert», sagt AZT-Boss Reinkemeyer.
Michael Vogt helfen die Daten nicht viel
Der Mess-Schlitten sammelt nun vor den Rennen allerlei Daten über G-Kräfte, Rutschphasen des Bobs, die Winkelposition des Schlittens in den Steilwandkurven und so weiter. Es wird sogar die Eisstruktur gemessen: Wo ist es besonders holprig, wo glatt? Die Daten gehen an die AZT-Forscher. Aber als Nebeneffekt auch mit einem KI-Tool aufbereitet an alle Teams. Die Schweizer Pilotin Debora Annen: «Die Daten sind für uns sehr interessant.» Toppilot Michael Vogt hingegen schränkt ein: «Mir selber helfen sie nicht viel. Aber sie können für die Bahnarbeiter nützlich sein, da sie viel genauer erkennen, wo noch mehr gearbeitet werden muss.»
Julian von Schleinitz ist im AZT der Daten-Boss. Er sagt: «Das Feedback der Piloten ist entscheidend für die Interpretation der Daten. So haben wir beispielsweise festgelegt, ab wann starke Vibrationen durch Unebenheiten der Bahn als grün, gelb oder rot gekennzeichnet werden.» Die Suche nach mehr Sicherheit beginnt mit winzigen Details.
Sandro Michel beobachtet das neue Projekt genau
Experten für den Insassenschutz in Autos sind sie schon. Jetzt will es die AZT-Crew auch im Bobsport werden. Im Sommer sollen erste Ideen in einen Prototyp einfliessen. Ob es gar Richtung Halo und Sicherheitsgurt geht, den die Bobfahrer nach dem Einsteigen schliessen, schliesst Reinkemeyer nicht aus, sagt aber: «So weit sind wir noch nicht. Klar ist, dass die spezifische Funktionalität des Bobs nicht beeinträchtigt werden darf.»
Was das Allianz-Engagement kostet? Geheim. Ralf Schreck, Boss über die Olympia-Aktivitäten: «Es ist Teil unseres Engagements für den Wintersport im Allgemeinen.» Sprich: Mit Olympia 2026 in einem Jahr rückt der Wintersport auch bei den Budgets wieder in den Fokus.
Und was sagt Sandro Michel, dass nun erstmals überhaupt sein Sport derart wissenschaftlich unter die Lupe kommt? «Eine gute Sache», so der Aargauer, «es ist sicher wichtig, dass nun die richtigen Leute mit den gesammelten Daten arbeiten. Aber das Projekt zeigt, dass Interesse da ist, etwas zu ändern. Ich bin sehr gespannt, was herauskommt.»