Biathletin Lena Häcki über ihre Essstörung
«Redete mir ein, keine Hilfe verdient zu haben»

Auf der Loipe ist die Zeit der Gegner von Biathletin Lena Häcki (26). Ausserhalb des Sports heisst er Essstörung. Nun hat sie erstmals darüber gesprochen.
Publiziert: 25.04.2022 um 19:08 Uhr
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Aktualisiert: 25.04.2022 um 19:30 Uhr
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Lena Häcki leidet seit Jahren unter einer Essstörung.
Foto: keystone-sda.ch

Mit 16 Jahren beginnt Biathletin Lena Häcki (26) mit Leistungssport. Damals ahnt sie nicht, dass sie sich mit diesem Schritt in einen Teufelskreis begibt. Nun spricht sie in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» erstmals über ihre langjährige Essstörung. Angefangen hat es damit, dass ihr Trainer nahegelegt haben, abzunehmen, um eine bessere Athletin zu werden. Ihre Figur habe nicht der «Biathlon-Norm» entsprochen, «deshalb wurde ich von Beginn weg aufgefordert, etwas zu tun, damit ich mich diesem Ideal annähere», erklärt Häcki. So rutscht sie schnell in etwas hinein, das sie nicht mehr kontrollieren kann.

Sich selbst Hilfe verweigert

Konkret leidet Häcki unter der Binge-Eating-Störung. Das heisst, sie kennt kein normales Essverhalten, sondern hungert so lange, bis sie es nicht mehr aushält, und verfällt dann in Fressattacken. «Man will von dieser Sucht wegkommen, aber man kann ja nicht ganz ohne Essen leben.» Als Konsequenz schwankt ihr Gewicht extrem, bis zu fünf Kilo in einem Monat.

«Es braucht seine Zeit, um zu erkennen, dass es kein selbst verursachtes Problem, sondern eine Krankheit ist», sagt Häcki. «Ich befinde mich seit Frühling 2021 in psychiatrischer Behandlung.» Davor verweigert sie sich selber die nötige Hilfe. «Die Essstörung war für mich lange der schlechte Teil an mir, und deshalb redete ich mir ein, es gar nicht verdient zu haben, Hilfe zu erhalten. Aber nicht ich bin das Problem, ich habe nur ein Problem, das auf eine Lösung wartet.»

«Es gibt viele von uns!»

Nach zehn Monaten Behandlung sagt Häcki, dass es ihr besser gehe, sie nähere sich einem normaleren Essverhalten an. «Nur weil Hilfe da ist, wird nicht alles von einem Tag auf den anderen plötzlich gut.» Sie weiss, dass ihr Weg steinig und lang ist. «Der Gedanke, ich wäre als leichtere Athletin auch schneller, bleibt im Hinterkopf. Priorität hat aber ganz klar, dass ich zu einem gesunden Essverhalten gelange. Alles andere kommt danach.»

Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit will sie anderen Betroffenen Mut machen. Denn Essstörungen treten im Leistungssport viel öfter auf, als alle denken. «Es gibt viele von uns!», so Häcki. «Ich hoffe, dass wir im Sport irgendwann zu dem Punkt gelangen, wo man als Trainer oder Betreuer nicht als erste Möglichkeit zur Leistungssteigerung die Aufforderung an junge Menschen macht, Gewicht zu verlieren oder zuzunehmen. Das kann schreckliche Folgen haben.» (bir)

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