Ultraläufer Tkachuk kämpft in der Ukraine an der Front
«Da ist diese Angst vor einer Verstümmelung»

Normalerweise kämpft Andrii Tkachuk (36) als Ultraläufer gegen den inneren Schweinehund. Aktuell aber trägt er ganz andere Kämpfe aus. Tragische. Leidvolle. Erschütternde. An der Front in der Ukraine. Jetzt ist er verletzt, liegt im Spital und erzählt.
Publiziert: 11.03.2022 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2022 um 13:09 Uhr
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Dieses Foto hat Andrii Tkachuk veröffentlicht, es zeigt ihn mit einem Sturmgewehr.

Er empfinde keinen Hass. «Ich habe gar keine Emotionen», sagt Andrii Tkachuk. Der 36-jährige Ukrainer gilt als einer der besten Ultraläufer in seiner Heimat. Ein Spezialist für extreme Distanzen. Erst im Dezember hat er in Spanien das 24-Stunden-Rennen gewonnen. Nun aber befindet er sich in einem Krankenhaus im Süden der Ukraine, verwundet und erzählt von schrecklichen Kriegserlebnissen.

Zuvor kämpfte er in der Nähe der Stadt Saporischschja. «Unsere Einheit sah sich mit einer Kriegsmaschinerie von erdrückender Überlegenheit konfrontiert», schildert Tkachuk das Erlebte per Telefon der «Frankfurter Allgemeine» aus dem Spital. «Erst kamen die Aufklärungsdrohnen, dann beackerten uns die Kampfhubschrauber, später setzte der Artilleriebeschuss ein. Dann wieder Hubschrauber.»

«Meine Kameraden wurden richtig zugedeckt»

Schliesslich rückten russische Panzer vor. Er habe solche Szenen bis anhin nur aus Filmen gekannt. Plötzlich war alles Realität. Einen Einschlag eines Geschosses überlebte er nur knapp. Tkachuk: «Neben mir, es müssen so zehn Meter gewesen sein, waren drei Jungs in Position gegangen. Wir wurden beschossen, ich wurde verwundet und merkte, dass die Kameraden rechts von mir richtig zugedeckt worden sind. Da war einer mit einem durchgeschlagenen Bein. Der war noch am leichtesten verletzt. Die beiden anderen hatte es schlimmer erwischt im Gesicht und am Körper.»

Tkachuk selber wird von Splittern am Arm und an der Schulter getroffen, durchbohrt. Verletzt hilft er anderen Verwundeten, verlässt dann selbst die Stellung, ehe Hilfe naht und die Einheit evakuiert wird. Seit Tagen weilt er nun im Krankenhaus und wartet darauf, operiert zu werden.

Er möchte zurück an die Front

Der Tod mache ihm nicht zu schaffen. Viel grösser ist die Angst vor einer Verstümmelung, sagt Tkachuk. Mit einem Bild hat sich der Sportler bei seinen Freunden, Fans und bei seiner Familie gemeldet. Darauf ist er zu sehen. Mit leerem Blick in Militäruniform. In seinen Armen hält er ein Sturmgewehr.

Wenn er wieder fit ist, will er zurück an die Front. Um die Pflicht für sein Land zu erfüllen. Und um die Russen zu besiegen, damit der Alptraum ein Ende findet. «Es mag dauern und da können sie uns noch so bombardieren. Aber letztlich können wir gar nicht anders als gewinnen», sagt Tkachuk. (mam)

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