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Vitali Klitschkos härtester Kampf
Kiews Bürgermeister greift zum Sturmgewehr

Box-Weltmeister Vitali Klitschko ist ein Gesicht dieses Krieges in der Ukraine. Sein Bruder Wladimir ist an seiner Seite. Sie wollen kämpfen. Unter Einsatz ihres Lebens.
Publiziert: 27.02.2022 um 18:54 Uhr
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Schon beim Maidanaufstand 2014 wehrte sich Vitali Klitschko im Kampfanzug.
Foto: AP
Felix Bingesser

Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schwergewichtsboxen ist nicht für Zartbesaitete.

Das weiss auch Vitali Klitschko (50). Der Mann ist gestählt durch unzählige Schlachten im Ring. 45 Siege, zwei Niederlagen. Zusammen mit Bruder Wladimir (45) gewinnen die stärksten Brüder der Welt die WM-Gürtel nach Belieben.

Vitali ist keiner dieser wilden Schläger aus einem schwarzen Elendsviertel. Er ist ein Stratege und ein gebildeter Mann. Klitschko ist Akademiker. Der Sohn eines ukrainischen Generalmajors hat ein Sportlehrerstudium abgeschlossen.

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Das Leben des dreifachen Familienvaters ist nahezu skandalfrei. Der propere Dr. Eisenfaust passt wie sein jüngerer Bruder Wladimir nie so richtig in die derbe und verruchte Welt des Schwergewichtsboxens.

Die Gegner an sich abprallen lassen

Aber Vitali ist wie Wladimir ein Modellathlet. Mehr als zwei Meter gross, mit 112 Kilo Kampfgewicht. Zu seinen Spitzenzeiten hat er die Gegner an sich abprallen lassen. Und dann zugeschlagen.

Seit 2014 ist Vitali Klitschko Bürgermeister der 3-Millionen-Metropole Kiew. Er ist zu einem Gesicht dieses Krieges geworden. Und jetzt steht er mitten in seinem härtesten Kampf. Für viele westlich orientierte Ukrainer ist er längst eine Galionsfigur und ein Hoffnungsträger.

Bereits seit 2010, als er zum Vorsitzenden der neu gegründeten UDAR-Partei gewählt wird. Der Begriff «Fausthieb» ist im Parteinamen enthalten. Auch die Unterstützung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel war ihm stets gewiss. Der «Spiegel» hat vor Jahren gemutmasst: «Klitschko soll gezielt zum neuen starken Mann der Ukraine aufgebaut werden und so den gewachsenen Einfluss des Kreml zu kontern.»

Im Bunker oder an der Front?

Sitzt dieser Vitali Klitschko im Moment in seinem Büro im Regierungsgebäude? Oder regiert er seine angegriffene Stadt aus dem Bunker? Oder steht er bereits im Kampfanzug auf der Strasse, wie er dies bereits beim Maidanaufstand 2014 getan hat? Klar ist: Vitali ist wild entschlossen. «Ich werde das Sturmgewehr nehmen und für die Ukraine kämpfen. Ich habe keine andere Wahl, ich muss das tun. Wir wollen ein offenes, demokratisches Land sein, nicht unter dem Einfluss von Putin stehen. Dafür werden wir alles tun.»

Auch das Argument, dass Putin in der Ostukraine einen Genozid an der russischen Minderheit verhindern wolle, hat Klitschko schon vor Ausbruch des Krieges gekontert: «Diese unfassbare Lüge erzählt Putin bereits seit Jahren, um einen Vorwand zu haben und Truppen zu schicken.» Jetzt sind sie da. Und Kiew, seine Stadt, ist zum blutigen Kriegsschauplatz geworden. «Es tut weh. Wir stehen einer der grössten und stärksten Armeen der Welt gegenüber. Aber wir müssen unsere Familien verteidigen, unser Land, unsere Städte», sagt er in einer Videobotschaft. Und ergänzt: «Dieser sinnlose Krieg wird keine Sieger hervorbringen, aber viele Verlierer.»

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Blut wird sich mit Tränen vermischen

Auch sein Bruder Wladimir, der schon Anfang des Monats in die Reservearmee der Ukraine eingetreten ist, steht in Kiew an seiner Seite. Und meldet sich in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» in einem offenen Brief an die deutsche Bevölkerung. «Ich schreibe Ihnen aus Kiew, der Hauptstadt eines Landes, das sich im Krieg befindet und von allen Seiten angegriffen und überfallen wird. Es ist nicht ‹der Krieg in der Ukraine›, es ist Putins Krieg. (...) Vorbei ist es mit dem Nebel und den falschen diplomatischen Eröffnungen. Der russische Präsident verwendet nun eine Kriegsrhetorik in der reinsten bolschewistischen Tradition und schreibt die Geschichte neu, um seine Neuaufteilung der Grenzen zu rechtfertigen. Er macht deutlich, dass er den ukrainischen Staat und die Souveränität seines Volkes zerstören will. Nach Worten folgen nun Raketen und Panzer. Zerstörung und Tod kommen über uns. So ist es, Blut wird sich mit Tränen vermischen. (...)

Putin will das geopolitische Gleichgewicht in ganz Europa infrage stellen, er träumt davon, der Verteidiger der slawischen Völker zu sein, wo auch immer sie leben, und will ein gefallenes Imperium wiederherstellen, dessen Untergang er nie akzeptiert hat. Die europäische Lebensweise ist bedroht, die Freiheit der Völker, über sich selbst zu bestimmen, ist bedroht und die Demokratie ebenso. Das ukrainische Volk ist stark. Und es wird sich in dieser schrecklichen Prüfung treu bleiben. Ein Volk, das sich nach Souveränität und Frieden sehnt.»

Vitali und Wladimir Klitschko. Zwei wie Pech und Schwefel. In ihrer Aktivzeit wurden sie von Deutschland als Vorzeigesportler «adoptiert». Im Herzen sind sie Ukrainer geblieben. Und sie sind wohl weltweit die prominentesten Botschafter ihres Landes.

Auch Wladimir steht nun in ihrem härtesten Kampf an der Seite von Bruder Vitali. So, wie dies Vitali in vielen Kämpfen von Wladimir getan hat. Es sind für die beiden so erfolgsverwöhnten Brüder furchtbar schwere Stunden. Mit ungewissem Ausgang. Und unter dem Einsatz ihres Lebens. Nicht mit den Boxhandschuhen. Sondern mit dem Sturmgewehr.

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