Kommentar zum Rücktritt von Stucki
Der Bär tanzt nicht mehr

Christian Stucki hat seine Hosen an den Nagel gehängt. Ein Kommentar von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 11.06.2023 um 17:57 Uhr
|
Aktualisiert: 11.06.2023 um 18:56 Uhr
1/2
Christian Stucki hat mit seiner sympathischen Art dem Schwingsport zu einem Boom verholfen.
Foto: Sven Thomann
Blick_Portrait_2631.JPG
Felix BingesserReporter Sport

Früher, als die Menschen noch einen dichten Pelz auf Bauch und Rücken gehabt haben, da hätte man einen wie Christian Stucki auf heisse Platten gestellt. Und draussen ein Schild aufgehängt: Hier tanzt der Bär!

Jetzt tanzt der Bär nicht mehr. Der Mann mit «Scheichen wie Eichen» und Bratpfannen-Pranken hängt seine Zwilchhosen an den Nagel. Er sagt «Tschou zäme». Und hinterlässt eine Lücke, die grösser ist als zwei Meter und 145 Kilo.

Der hühnenhafte Seeländer mit Schuhgrösse 51 ist in der Schulzeit auch mal gehänselt worden. Als tapsiger Riese schon in jungen Jahren ist das Leben nicht immer nur einfach. Aber «Chrigel» kam zum Fussball, später zum Schwingen. Und er hat alle das Fürchten gelehrt.

Stucki hat eine Popularität erreicht, die in diesem Sport einzigartig ist. Weil die Leute schnell gemerkt haben, dass dieser sanfte Kraftbolzen mit dem trockenen Humor alles vereint, was es braucht, um eine Integrationsfigur für alle Schichten zu sein.

Seine Hemdsärmligkeit, seine Nahbarkeit und sein Familiensinn haben ihm zurecht landesweite Sympathien eingebracht. Der «Bruderkuss» als Unterlegener im Schlussgang des Eidgenössischen in Burgdorf auf die Stirn von Matthias Sempach ist die schönste Fairness-Geste in der Schweizer Sportgeschichte.

Sein Königstraum ist damals geplatzt. Aber er hat gespürt, dass ein anderer Bubentraum in Erfüllung gegangen ist. Diese ehrliche und spontane Freude für den Konkurrenten ist ein Charakterzug, der rar geworden ist. Es ist die gute Fügung des Schicksals, dass Stucki 2019 doch noch König geworden ist.

Der «gmögige» Kumpel von nebenan

«Chrigel» ist keiner der verbissenen Modellathleten. Er hat, wie viele Freunde des Schwingsports, zwei, drei Gramm zu viel um die Hüften. Er ist mit seiner stoischen Gelassenheit der «gmögige» Kumpel von nebenan. Wenn er jetzt den Sägemehlring verlässt, dann möchte man ihn am liebsten in den Arm nehmen.

Der etwas zu gross und etwas zu schwer geratene Stucki, der so schwer «nein» sagen kann und es immer allen recht machen möchte, wurde jahrelang unterschätzt. Diesen Fehler wird keiner mehr machen.

Denn Stucki ist auch ein cleverer Geschäftsmann. Sein Engagement bei den Mineralquellen in Adelboden ist ein weiterer Meilenstein. Und zeigt, dass der sanfte Riese sorgenfrei in die nächste Lebensphase tritt.

Hoffentlich bleibt er auch dem Schwingen erhalten. Gerade wegen Typen wie diesem bärigen Seeländer erlebt der Nationalsport seit Jahren einen Boom.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?