Es ist derzeit das grosse Thema auf der Tennis-Tour: das sensationelle Comeback von Boris Becker (55) als Trainer. Der Deutsche, der als Profi einst sechs Grand-Slam-Siege feierte und später Novak Djokovic zu ebenso vielen Major-Triumphen coachte, ist zurück im Zirkus.
Hatte er in diesem Jahr nach seiner Gefängnisstrafe wegen Insolvenzverschleppung zunächst die Tätigkeit als TV-Experte wiederaufgenommen, reizte ihn nun eine andere, ganz spezielle Aufgabe: Becker nimmt sich Holger Rune an, des 20-jährigen Dänen, der es auf höchster Stufe in rasend schneller Zeit geschafft hat, sich einen zweifelhaften Ruf einzuhandeln.
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Da waren einerseits Runes grossartige sportliche Leistungen wie der letztjährige Masters-Sieg in Paris-Bercy, der Titel in München im Frühjahr oder die beiden Finals in Monte-Carlo und Rom.
Aber da waren eben auch unrühmliche Auftritte dabei – etwa, als er mal genervt seine Mutter Aneke aus dem Stadion warf, sich zwischenzeitlich mit Casper Ruud (24) überwarf oder Stan Wawrinka (38) am Netz provozierte. Die «Gazzetta dello Sport» wählte den impulsiven Rechtshänder in diesem Jahr in ihrer Liste der grössten Tennis-Rüpel bereits auf Platz eins.
«Wir haben eine gute Verbindung»
Rune startete furios ins Jahr 2023, baute nach Wimbledon aber auch wieder stark ab. Seit Juli hat er bloss eine einzige Partie gewonnen. Es ist diese Baisse, die den Youngster zuletzt nach neuen Inputs suchen – und den alten Kontakt Becker auf seinem Handy finden liess. Schon 2021 hätten sich die beiden ein erstes Mal ausgetauscht. Jetzt, zwei Jahre und eine erste Trainings- und Kennenlern-Woche in Monte-Carlo später, habe alles gepasst.
In Basel ist Becker erstmals an Runes Seite. Hier soll die sportliche Wende ihren Anfang nehmen. Ab jetzt gilt der gemeinsame Fokus den Turnieren in der St. Jakobshalle, in Paris-Bercy – und im besten Fall den ATP-Finals in Turin. Rune sagt, er wolle in Basel noch einen draufsetzen. Das heisst nach seinem Finaleinzug im Vorjahr: Nur der Titel ist gut genug.
Rune verspricht sich viel von der Zusammenarbeit: «Ich hatte ein paar gute Mittagessen mit ihm», sagt er schmunzelnd: «Wir haben eine gute Verbindung. Er versteht mich als Spieler und als Menschen.» Rune scheint Becker zuzutrauen, dass dieser ihn nicht nur spielerisch weiterbringt, sondern ihm auch helfen kann, sein Temperament zu kanalisieren: «Er ist hier, um mich besser zu machen. Allein schon in der Woche in Monte-Carlo habe ich eine Menge gelernt – ihr werdet es dann sehen!»
Zu viel verraten möchte er nicht, meint Rune lachend. Nur so viel: Er sei bereit, mit Becker über «die Basics» im Leben eines Tennis-Profis zu sprechen. Das heisst nicht nur, dass er mit ihm Service und Return unter die Lupe nehme, sondern beispielsweise auch eine sinnvolle Turnierplanung im Verlaufe eines Jahres: «Es geht darum, einen guten Mix aus Matches und Regeneration zu finden. Boris kann mir da mit seiner Erfahrung weiterhelfen.»
Becker: «Mir gefallen seine Ausbrüche»
Auch Becker, der in Basel keine Medientermine wahrnehmen möchte, hatte unter der Woche gegenüber «Eurosport» schon durchblicken lassen, dass er weniger und besser getimte Einsätze übers Kalenderjahr hinweg sinnvoller fände. Und klar ist überdies auch: Becker, einst selbst kein aalglatter Profi, mag Runes Impulsivität: «Holger ist ein Rohdiamant, der Schliff braucht. Mir gefallen seine emotionalen Ausbrüche.»
Ob in Basel, wo er in Abwesenheit von Carlos Alcaraz topgesetzt ist, ein paar dazukommen? Eines seiner alten, unschönen Kapitel scheint Rune jedenfalls geschlossen zu haben. Jenes mit Wawrinka. Der Romand hatte dem jungen Heisssporn im Vorjahr in Paris-Bercy geraten, er solle «aufhören, sich wie ein Baby zu verhalten.» Daraufhin stichelte Rune im Frühling in Indian Wells zurück: «Diesmal hast du mir nichts zu sagen?»
Mittlerweile sei die Angelegenheit aber gegessen, betont Rune in Basel: «Wir witzeln jetzt darüber. Ich würde sagen, unser Verhältnis ist ziemlich gut.» So gut, dass die beiden bei den Swiss Indoors am Samstag sogar zusammen trainieren. Unter den Augen von Comeback-Coach Becker.