Sollte dies wirklich Roger Federers letzter Wimbledon-Auftritt gewesen sein, dann würde er so gar nicht ins Bild des achtfachen Champions an der Church Road passen: Mit 0:6 kassiert er im dritten Durchgang gegen Hubert Hurkacz (ATP 18) erstmals an seinem Lieblingsturnier die Höchststrafe.
Es ist erst der dritte «Bagel» in Rogers Grand-Slam-Karriere. Die beiden anderen gabs in Paris, 1999 gegen Patrick Rafter und 2008 gegen Rafael Nadal. Auch dass Federer an einem Major in drei Sätzen rausfliegt, geschieht selten. In Wimbledon passierte es letztmals 2002 in der ersten Runde gegen Mario Ancic.
Dementsprechend verwundert reibt sich die Tennis-Welt die Augen. «Oh mein Gott, was passiert hier? Es ist schockierend», schreibt etwa der portugiesische Tennis-Journalist José Morgado auf Twitter.
Die Ex-Champions, die heute ihr Geld als TV-Analysten verdienen, scheinen hingegen nur auf diesen Federer-Moment gewartet zu haben. Der Amerikaner John McEnroe, langjähriger Kommentator für die BBC, sagt: «Die Frage war, ob er eines Tages aufwachen und sich wie 39 fühlen wird. Diesen Tag erleben wir heute. Es scheint, als würde sein Körper das nicht so gut vertragen wie zuvor. Er wirkt ein bisschen platt.»
Becker: «Weiss nicht, ob wir ihn wiedersehen»
Ebenfalls beim britischen TV-Sender kommt Boris Becker zu Wort. Der Deutsche würde nicht mehr viel Geld auf eine Federer-Rückkehr nach Wimbledon setzen: «Er würde nie sagen, wenn es ein Problem gäbe, aber ich weiss nicht, ob wir den grossen Mann hier jemals wiedersehen werden. Die Zeit steht für keinen Mann und keine Frau still. Ich habe die Fehlschläge, die peinlich aussehenden Punkte von Roger und natürlich den letzten Satz mit dem 0:6 bemerkt.» Gemeint ist mit den peinlichen Punkten das Tiebreak im zweiten Satzes, wo Federer vier für ihn ungewöhnliche Fehler begeht, darunter ein Ausrutscher am Netz.
Wie weit Federer in der Weltrangliste nun zurückfällt, hängt noch vom weiteren Turnierverlauf ab. Der schwedische Eurosport-Experte Mats Wilander glaubt jedenfalls nicht mehr an eine Rückkehr zu alter Stärke: «Wenn es an Matches fehlt, kann es ein bisschen an Selbstvertrauen mangeln. Wenn die Vorhand nicht funktioniert, ist es nicht einfach, auf den Rest des Spiels zurückzugreifen, wenn die Stärke Nummer eins nicht perfekt funktioniert. Der Einschüchterungsfaktor beginnt bei Federer zu verblassen, wie es bei allen der Fall ist.»
Gut möglich also, dass Roger beim Verlassen des Centre Courts ein letztes Mal seinen Fans zugewinkt hat. (cmü)