Spiel, Satz und Tränen! So endete in der Nacht auf Samstag das letzte offizielle Match von Roger Federer auf der ATP-Tour. Schliesslich ging der Sieg an seine Gegner, Jack Sock und Frances Tiafoe – zumindest nach Zahlen. Aber gesiegt haben alle am Freitag, die in der O2-Arena in London oder weltweit vor den Bildschirmen zusahen. Denn für einmal war das Resultat Nebensache. Die ganze Welt wollte am Freitag Roger nochmals auf dem Platz sehen, in Nostalgie schwelgen und den Emotionen freien Lauf lassen.
Und niemand wurde enttäuscht. Es gab das ganze Programm. Roger der Athlet – was für ein Timing, welche Kontrolle über den Schlägerkopf, Roger der Artist – was für eine Leichtigkeit, was für eine Eleganz. Roger der Mensch, der uns mitnimmt auf den Tennisplatz, uns mitspielen, mitfiebern und mitleiden lässt. Roger, der nach dem Match mit Mikrofon auf dem Center Court steht. Nervös tappt er von einem Fuss auf den anderen und ringt nach Worten, weil es für ihn so schwierig ist, die Liebe, die er für uns alle spürt, in Worte zu packen.
Selbstverständlich fühlen wir alle mit. Schliesslich haben wir ihn adoptiert. Roger ist unser Sohn. Wir kennen ihn. Wir erwarten in so einem Moment auch keine Eloquenz von ihm, sondern Offenheit. Wir wollen ihn spüren, ungefiltert, ungeschminkt.
Alle umarmen Roger
Und Roger liefert: Er steht da, schluchzt, dankt und umarmt. Die meisten in seiner Nähe gleich mehrmals. Wir alle erwidern diese Umarmung, denn wir umarmen ja mit. Und wir spüren deutlich, dass es manchmal für Roger einfacher ist, sich mit Gesten, Aktionen, Schläger und Ball auszudrücken als mit Worten.
Diese Art der Kommunikation wird es in Zukunft nicht mehr geben. Sie wird uns fehlen. Glücklicherweise sind praktisch alle grossen Partien von Roger digital gespeichert. Wer also auf Entzug ist, kann sich zu Hause jederzeit eine Dosis Roger gönnen.
Vielleicht wird Roger schon bald als Kommentator zu hören sein. Zumindest hat Roger etwas in der Richtung angedeutet. Das wäre ein Trost. Der Sohn geht also nicht ganz verloren. Sag mir wann, Roger! Ich werde da sein.