Es gab Zeiten, in denen Leandro Riedi (22) selbst sein grösster Gegner war. Es bedurfte eines augenöffnenden Gesprächs mit seinem früheren Trainer Yves Allegro, vieler Monate der Selbstfindung und des Bewusstseins, dass er weiter kommt, wenn er «netter» zu sich selbst ist.
Leandro Riedi ist ein reflektierter Spieler. Selbstkritisch und hinterfragend. Es mag vielleicht daran liegen, dass er noch nicht so weit ist wie der gleichaltrige Dominic Stricker (ATP 95), mit dem er oft verglichen wird. Und auch an einer Reihe von Verletzungen, die ihn zwischenzeitlich zurückgeworfen haben.
Jetzt aber ist Riedi absolut «auf der Höhe», wie er es beschreibt. Der Zürcher gewann zu Beginn des Jahres das 75er-Challenger-Turnier in Oeiras (Por) – und nun hat er beim 125er in Ottignies-Louvain-la-Neuve (Bel) sogar noch nachgedoppelt. «Ich bin sprachlos», meint der Rechtshänder, der rückblickend ergänzt: «Ich musste früher mit einigen Dingen kämpfen. Aber das war eine wichtige Erfahrung für mich.»
Murray war beeindruckt
Rechtzeitig vor dem Davis-Cup-Duell mit Holland (Freitag, Samstag) läuft er so richtig heiss. Dank seines Raketenstarts hat er heuer bereits einen Sprung von ATP-Platz 320 auf Position 175 gemacht. Nun ist das erstmalige Erreichen der Top 100 das Ziel.
Riedi fühlt sich bereit für die Aufholjagd in diesem Jahr: «Ich habe einen guten, seriösen Aufbau hinter mir. Ich habe bei Swiss Tennis mit Kondi-Coach Beni Linder Vollgas an mir gearbeitet – und spüre jetzt, wie sich das auswirkt.»
Wie gut Riedi Tennis spielen kann, hat im Vorjahr auch Andy Murray (36), auf den er im Davis Cup in Manchester (7:6, 4:6, 4:6) getroffen war, gemerkt. Der dreifache Grand-Slam-Champion sagte: «Ich habe noch nie jemanden so retournieren sehen wie ihn. Ich konnte es nicht glauben. Und gleichzeitig hatte ich auch das Gefühl, dass er sich noch steigern kann.»
Oder mit anderen Worten – was Murray damit durchblicken liess: Wehe, wenn Riedi mal losgelassen hat.