Stan Wawrinka (38) muss nicht lange überlegen, als er gefragt wird, welche eine Sache er im Tennis ändern würde, wenn es denn in seiner Macht läge. Die Antwort folgt prompt: «Es wäre der Kalender.» Der Turnierplan innerhalb eines Jahres kommt für ihn einer Hetzerei gleich: «Es ist einfach zu viel. Die Saison ist zu lange und zu intensiv.» Wawrinka stört sich daran, dass die Spieler kaum etwas zu sagen haben im Tennis-Business, das wie andere Sportarten auf höchstem Niveau vom Geld regiert wird. Die Profis sollen in diesem Konstrukt einfach funktionieren: spielen und begeistern.
Wawrinka äussert seine Kritik bewusst. Er versucht, seine über Jahre erarbeitete Position «bestmöglich ausnutzen». Der Romand ist seit 2002 auf der Tour, er gewann drei Grand-Slam-Turniere sowie den Davis-Cup und er ist Doppel-Olympiasieger. «Stan the Man» geniesst hohes Ansehen in der Tennis-Bubble, sein Wort hat Gewicht. Als er vor Kurzem das neue Format des Davis-Cups kritisierte, schlug das hohe Wellen.
In Basel richtet er seinen Appell in Richtung der Spielervereinigung ATP. Er sagt, es brauche eine längere Pause im Kalender. Unterstützung erhält er dabei von Alexander Zverev (26), der diese Woche in Wien gegenüber Eurosport ebenfalls seinen Unmut kundtat: «Ich bin jetzt seit zehn Jahren auf der Tour dabei und seit zehn Jahren sprechen wir darüber, wie wir die Saison kürzer machen können. Nur: Das Gegenteil passiert.» Auch der Deutsche nervt sich daran, dass die Athleten wie Roboter angesehen werden: «Viele Top-Spieler treten gar nicht mehr bei allen Masters an, weil sie es nicht aushalten.»
Die Tendenz ist in der Tat eindeutig. Die Profis werden immer mehr eingebunden. Die Masters-1000-Turniere in Rom, Madrid und Schanghai wurden ausgedehnt. Die Australian Open werden sich auf 15 Tage verlängern. Offiziell, um lange Night Sessions zu vermeiden. Vielmehr wohl aber, um zusätzlich Geld zu generieren.
«Kampf gegen die Agenten»
Was unter der ständigen Reiserei auf dem ganzen Erdball leidet, liegt auf der Hand: Es ist die Regeneration. Die Spieler werden durch die Müdigkeit verletzungsanfälliger. Und doch sind die Verlockungen, all die Strapazen trotzdem auf sich zu nehmen, gross. Boris Becker (55), der neue Coach von Holger Rune (20), sagt im Podcast «Das gelbe vom Ball» hierzu: «Es ist immer auch ein Kampf gegen die Agenten. Diese können die Spieler natürlich ködern, indem sie sagen: Geh doch mal kurz in jene Stadt, dafür bekommst du diese Extra-Summe.»
Sechs- bis siebenstellige Startgagen sollen die Profis bei Laune halten – und die Agenten mitverdienen lassen. Es ist nach Erfüllung der zwölf Pflichtturniere (Grand Slams sowie acht Masters-1000) ein Grundsatzentscheid: Erholung oder Kohle?
Genau hier sieht Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt (64) das grosse Dilemma: «Die Spieler möchten an den Turnieren natürlich attraktive Preisgelder haben. Dafür ist es aber nötig, dass die Besten der Welt auch wirklich an den Anlässen teilnehmen – denn ohne Aushängeschilder zahlen die Geldgeber wieder viel weniger.» Für ihn ist klar: «Eine Ideallösung gibt es hier nicht. Man wird es nie allen recht machen können.»