Die verletzungsbedingte Absage von Wimbledonsieger Carlos Alcaraz (20) war für die Swiss Indoors ein harter Schlag. Doch die Turnierorganisatoren hatten Glück – er wurde prompt abgefedert von der Nachricht, dass ein gewisser Boris Becker (55) sein Sensations-Comeback als Trainer ausgerechnet in Basel geben würde. Der Deutsche, sechsfacher Grand-Slam-Sieger und ehemaliger Erfolgscoach von Novak Djokovic (36), betreut neu den dänischen Top-Youngster Holger Rune (20).
«Er bringt Glamour ins Turnier», sagt auch SRF-Experte Marco Chiudinelli (42), bevor Becker ein allererstes Mal Platz in der Box seines neuen Spielers nimmt. Rune, der Topgesetzte in Basel, war zuletzt äusserst formschwach unterwegs und deswegen auf der Suche nach neuen Inputs. Seit Wimbledon im Juli vermochte er nur ein einziges Spiel zu gewinnen.
In der Vorwoche in Stockholm, wo er erneut in der Startrunde rausflog, konnte Becker noch nicht dabei sein. Dafür reiste die Tennis-Legende zusammen mit der Weltnummer 6 extra früh nach Basel. Schon am Freitag gab es eine erste Trainingseinheit in der St. Jakobshalle. Becker, der bis letzten Dezember noch eine Gefängnisstrafe wegen eines verschleppten Insolvenzverfahrens absass, war wieder mit Tennisschläger und Bällekorb zu sehen.
Nur Mama Aneke beim Einspielen dabei
Doch am ersten Matchtag von Rune, vor dem Duell mit dem Serben Miomir Kecmanovic (24), fehlt von Becker zunächst jede Spur. Als der Däne am Mittag auf dem Center Court einspielt, ist nur Mama Aneke vor Ort. Sie sitzt gemütlich im Schiedsrichterstuhl, schaut sich das Geschehen von oben an.
Und Becker? Der spricht praktisch gleichzeitig in einer Talk-Runde mit seinem früheren österreichischen Rivalen Thomas Muster (56). Und zwar in… Wien. Wenige Stunden vor Runes Ernstkampf kommt Becker einer Verpflichtung nach, der er schon vor Wochen zugesagt hatte und die er nun offenbar trotz Trainer-Engagement nicht mehr absagen konnte. Weil diese aber von ihm verlangt, beim 650 Kilometer Luftlinie entfernten Basler Konkurrenzturnier zu sein, kommt Becker ziemlich in den Stress.
In einer Pressekonferenz, die er im Gegensatz zu den Swiss Indoors in Wien auch noch abhält, sagt er: «Holger spielt heute Abend. Ich werde nachher gleich losmüssen. Es ist alles noch sehr frisch, die richtige Arbeit beginnt jetzt. Ich hoffe, ich werde die richtigen Worte finden.»
Wenige Stunden und ein kurzer Flug später ist Becker tatsächlich in der St. Jakobshalle zu sehen, wie er Rune anfeuert und Mut zuspricht. Mal steht er auf, klatscht energisch. Mal ballt er die Faust.
Der Becker-Effekt wirkt. Rune dreht nach einem miserablen ersten Satz auf, packt teilweise grossartige Power-Schläge aus und schlägt Kecmanovic 1:6, 7:5, 6:3.
«Cool, dass er zurück auf der Tour ist»
Die Zusammenarbeit ist nun so richtig lanciert. Und im Übrigen werden auch die Turnierbosse Freude an Runes und Beckers Verbleib im Wettkampf haben. Und nicht nur die – auch die Spieler.
Stan Wawrinka sagt: «Ich schätze Boris Becker sehr.» Und Dominic Stricker meint: «Er ist ein riesiger Name. Cool, dass er zurück auf der Tour ist. Man trifft ihn hin und wieder in der Player's Lounge an.» Von Beckers Wien-Abstecher hat in Basel kaum jemand etwas mitbekommen.