Das Männerfeld
Für die grossen Schlagzeilen vor den US Open sorgt Jannik Sinner (23), ohne Frage. Der Doping-Wirbel um den Südtiroler lässt niemanden kalt. Wenn die Geschichte stimmt, dass die verbotene Substanz Clostebol über eine Behandlung des Physiotherapeuten in ihn gelangt ist, dann war das unfassbar ungeschickt und fahrlässig von seinem Team. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass es sehr belastend für Sinner gewesen sein muss – und trotzdem hat er auf sportlicher Ebene abgeliefert. Auch an den US Open gehört er zu den Top-Favoriten, auf einer Stufe mit French-Open- und Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz (21). Und natürlich mit Olympiasieger Novak (37) Djokovic. In Paris hat der Rekordmann gezeigt, dass er weiterhin auf der Höhe ist. Wachablösung? Noch nicht ganz! Ich erwarte in New York einen Djokovic, der genauso stark wie bei Olympia auftritt. Er wird den Schwung mitnehmen und sehr schwer zu schlagen sein. Die Auslosung hat ergeben, dass er erst im Final auf Sinner oder Alcaraz treffen kann.
Mehr Tennis
Dahinter stehen mit Daniil Medwedew (28) trotz Formschwäche und Alexander Zverev (27) weitere Titelkandidaten bereit, die ebenfalls das Zeug zum Coup haben. Medwedew hat das Turnier 2019 ja bereits gewonnen. Als mögliche Partycrasher sehe ich die US-Boys Frances Tiafoe (26) und Ben Shelton (21) oder Stefanos Tsitsipas (26) und Casper Ruud (25). Dennoch wäre es eine Sensation, wenn nicht zwei aus den genannten Top 5 im Final stehen.
Die Schweizer
Stan Wawrinka bringt gute Vibes. Er hat die US Open 2016 gewonnen, das gibt ihm jedes Mal ein gutes Gefühl, wenn er die Anlage von Flushing Meadows betritt. Er ist 39, aber noch immer voller Elan – und erfreut sich einer enormen Beliebtheit. Er trifft auf den Qualifikanten Mattia Bellucci (23). Gut möglich, dass der Altmeister wieder vom Publikum zum Sieg getragen wird. Und: Dass er von den Organisatoren wieder eine der begehrten Wildcards erhalten hat, darf man nicht als selbstverständlich erachten. Zumal er in seinem bislang wenig erfolgreichen Jahr nichts anbieten konnte, ausser seinen Namen.
Dominic Stricker kehrt an den Ort zurück, an dem er das beste Tennis seines Lebens gespielt hat. Allerdings ist die Situation heuer eine andere: Der Vorjahres-Achtelfinalist hat zuletzt sehr wenig gespielt und auch nur wenig gewonnen. Die Frage wird sein, wie er darauf reagiert. Kann er die Atmosphäre erneut zu seinen Gunsten nutzen? Oder spürt er den Druck, dass er erneut abliefern muss, zumal der grösste Teil seiner Weltranglistenpunkte (205 Zähler) aus New York kommt? Es wird eine Reifeprüfung für den 22-Jährigen. Ich traue ihm aber zu, dass es an den US Open wieder Klick macht bei ihm.
Schade ist, dass Jérôme Kym (21) in der dritten und letzten Quali-Runde so knapp gescheitert ist (6:7, 6:2, 6:7). Sein Grand-Slam-Debüt wäre eine schöne Geschichte gewesen – und ein Lichtblick in einem erneut enttäuschenden Qualifikationsturnier, in dem letztlich alle sieben Schweizer Starterinnen und Starter ausgeschieden sind.
Montag
17.00 Uhr (Schweizer Zeit): Dominic Stricker (ATP 181) – Francisco Comesana (Arg, ATP 108)
Ca. 19.00 Uhr: Viktorija Golubic (WTA 74) – Paula Badosa (Sp, WTA 27)
Dienstag
Stan Wawrinka (ATP 178) – Mattia Bellucci (It, ATP 102)
Montag
17.00 Uhr (Schweizer Zeit): Dominic Stricker (ATP 181) – Francisco Comesana (Arg, ATP 108)
Ca. 19.00 Uhr: Viktorija Golubic (WTA 74) – Paula Badosa (Sp, WTA 27)
Dienstag
Stan Wawrinka (ATP 178) – Mattia Bellucci (It, ATP 102)
Das Frauenfeld
Iga Swiatek (23) hat nun schon 117 Wochen an der Spitze des WTA-Rankings verbracht. In New York hat sie 2022 schon einmal die Trophäe in die Höhe gestemmt, und doch ist sie an den US Open nicht derart zu favorisieren wie etwa an den French Open. Vorjahressiegerin – und die grosse US-Hoffnung – Coco Gauff (20) ist auf Augenhöhe, genauso wie Aryna Sabalenka (26) und Jelena Rybakina (25). Alle haben sie das Spiel, um alle zu schlagen. Diese Gruppe hat sich abgesetzt, weist eine gewisse Konstanz auf, sodass es jedes Mal eine Überraschung ist, wenn nicht eine von ihnen das Turnier gewinnt. Gleichwohl sind Exploits natürlich denkbar. Jasmine Paolini (28) oder Jessica Pegula (30) stehen da an vorderster Front. Sie können zuschlagen, wenn die Top 4 nicht am Maximum spielen. Auch der 17-jährigen Mirra Andreeva ist wieder ein Lauf zuzutrauen, wie an den French Open, als sie bis in die Halbfinals stürmte.
Die Schweizerin
Viktorija Golubic ist in Abwesenheit von Belinda Bencic (27), die sich nach wie vor in Babypause befindet, erneut die einzige Frau, die das Schweizer Fähnchen hochhält. Die 31-jährige Zürcherin steht zum 28. Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Sie ist unsere «Madame Zuverlässig». Sie hat das Tennis, um auch grosse Namen zu eliminieren. Das hat sie heuer in Roland Garros einmal mehr bewiesen, als sie zum Auftakt die spätere Wimbledonsiegerin Barbora Krecikova (28) bezwang. «Viki» spielt anders als die meisten ihrer Konkurrentinnen, sie setzt auf ihre einhändige Rückhand, geht öfter ans Netz. Das macht es unangenehm für die Gegnerinnen. Ihr Erfolg hängt allerdings auch stark mit ihrem Selbstvertrauen zusammen. Zuletzt hat sie wenig gespielt, doch es bleibt zu hoffen, dass sie ihre guten Grand-Slam-Auftritte von diesem Jahr in Melbourne (Runde drei) und Paris (Runde zwei) im Hinterkopf hat. Dann ist sie auch für Startwidersacherin Paula Badosa (26) eine echte Knacknuss.