Was hat es mit dieser Azarenka-Geste auf sich?
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Belarussin vom Platz gebuht:Was hat es mit Azarenka-Geste nach Pleite gegen Switolina auf sich?

Buh-Rufe, Ärger und Verstrickungen
Wimbledon hat ein Russen-Problem

Nach dem Eklat um Victoria Azarenka bestätigt sich: Wimbledon hat ein Russen-Problem. Eine Reihe von russischen Tennis-Profis hat Verbindungen zum Putin-Regime.
Publiziert: 10.07.2023 um 19:23 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2023 um 21:32 Uhr
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Die Geste sorgt für Aufregung: Victoria Azarenka bei ihrem Abgang nach dem Achtelfinal.
Foto: imago/Action Plus
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Emanuel GisiSportchef

Es ist der emotionale Höhepunkt der ersten Wimbledon-Woche. Der Achtelfinal-Knüller zwischen der Ukrainerin Elina Switolina (28) und der Belarussin Victoria Azarenka (33) am Sonntagabend bietet während fast drei Stunden alles, was das Tennis-Herz begehrt: Tempo, Spektakel und ein Finish, das die Pulsfrequenzen auf den Rängen und vor dem TV in die Höhe treibt.

Zum Handschlag kommt es danach nicht – Switolina verweigert wegen des Angriffskriegs von Russland und dem verbündeten Belarus auf ihr Heimatland russischen und belarussischen Kontrahentinnen diese Geste.

Azarenka mit Alkohol-Vorwürfen ans Publikum

Von Azarenka gibts ein respektvolles Winken in Richtung von Switolina. Doch als die Nummer 20 der Welt den Court Nr. 1 verlassen will, hagelt es plötzlich Buh-Rufe von den Rängen an die Adresse der Belarussin. Die reagiert mit einem Kopfschütteln und mit einer kuriosen Faust-Geste – ein unwürdiges Ende eines grossen Abends. Der Eklat ist perfekt.

Es wirkt, als ob ein Teil des Publikums glaubt, Azarenka habe den Handschlag verweigert. «Ich bin mir nicht sicher, wie viele Leute verstanden haben, was vor sich geht», so Azarenka bei der Pressekonferenz. «Es war vermutlich sehr viel Pimm's im Spiel.» Der Gin-basierte Likör ist das traditionelle Getränk auf der Anlage von London, weit über 250'000 Gläser werden jedes Jahr während des Turniers davon getrunken. «Ich fand es ein tolles Spiel. Wenn die Leute sich nur auf den Handschlag oder auf das Publikum, das ziemlich betrunkene Publikum, das mich ausgebuht hat, konzentrieren, ist das schade.»

Das Wimbledon-Publikum gilt als respektvoll

Ob die Sache aber wirklich so einfach ist? Es mag ab und zu Klagen von Akteuren über das Verhalten einzelner Zuschauer geben – so beschwerte sich etwa Nick Kyrgios im Final 2022 über eine «total betrunkene» Frau, die ihn dauernd bepöbelt habe. Aber auch dieses Jahr gilt das Wimbledon-Publikum als kultiviert und respektvoll.

Einen Hinweis auf eine wahrscheinlichere Erklärung gibt Switolina nach der Partie. «Nach der Geburt meiner Tochter ist das der zweitglücklichste Moment meines Lebens», sagt sie mit Tränen in den Augen. Natürlich spiele sie im Moment für ihre kriegsgeplagten Landsleute. «Wenn ich gegen Russinnen oder Belarussinnen spiele, spüre ich mehr Druck. Ich muss gewinnen. Darum bedeutet es so viel. Auf meine Art kann ich der Ukraine so einen Sieg, einen kleinen Sieg, bescheren.»

Switolina spielt für ein ganzes Land

Jeden Morgen checkt Switolina die Nachrichten nach Updates aus dem Krieg. Wenn die Gefechte in ihrer Heimat besonders hart waren, verschiebt sie manchmal das Training. Das Gefühl, für mehr als nur für sich selbst und ihre kleine Familie zu spielen – Switolina und ihr Eheman Gaël Monfils (36) wurden erst im vergangenen Oktober erstmals Eltern –, scheint sie zu beflügeln.

Dass sie in Wimbledon als Ukrainerin die Sympathien auf ihrer Seite hat, ist wenig überraschend. Vor einem Jahr blieben russische und belarussische Spieler in Südlondon ausgeschlossen. Zähneknirschend erlaubten die Turnier-Bosse unter dem Druck von ATP und WTA dieses Jahr ihre Rückkehr. Für die britische Öffentlichkeit ein Unding, für die ukrainischen Tennis-Profis sowieso.

Rublew und Chatschanow sind sich nicht einig

Doch auch die Russen sind gespalten. Es gibt die Anekdote von Karen Chatschanow (ATP 11), der sich im Frühjahr 2022 mit seinem Landsmann Andrej Rublew (25) gefetzt haben soll, weil dieser «No War Please» auf die Linse einer Fernsehkamera geschrieben hatte – was für russische Verhältnisse schon fast als Frontalkritik an Machthaber Wladimir Putin gedeutet werden kann.

Dass von den 18 Einzel-Teilnehmern, die dieses Jahr in Wimbledon antraten, mehrere enge Verbindungen zum russischen Staat haben, scheint gleichzeitig offensichtlich.

Verbindungen in hohe politische Kreise

Veronika Kudermetowa (26) zum Beispiel wird von Tatneft gesponsert. Das Mineralölunternehmen unterstützt laut «Politico» Putins Krieg direkt, indem es dessen Armee Treibstoff und Reifen liefert. Eine Tochtergesellschaft wurde von der EU auf die Sanktionsliste gesetzt. Konzernchef Rustam Minnichanow hat sich öffentlich mit der Zusammenarbeit gebrüstet.

Und auch die zuletzt durch ihre gescheiterte Meuterei aufgefallene Schlächter-Gruppe Wagner unter Sergej Prigoschin, die seit Jahren für Putin Drecksarbeit macht, taucht im russischen Tennis-Klüngel auf: Der Vater von Anastasia Pawljutschenkowa (32) unterstützt ein Junioren-Tennisturnier, das im März einen Prigoschin-Söldner ehrte, der im Kampf gestorben war. Mixed-Olympiasiegerin Pawljutschenkowa wurde letzten Sommer vom russischen Sportminister geehrt, im Beisein von Tennis-Boss Wladimir Lasarew, der in Russland «Z-Turniere» organisiert.

Es ist also kompliziert. Und das bleibt es – auch in Wimbledon. Im Viertelfinal trifft Switolina nun auf die Polin Iga Swiatek (WTA 1), die sich öffentlich für die Ukrainerinnen positioniert hat. Übersteht sie diese Hürde, droht auf höchster Ebene ein konfliktträchtiges Duell: Im Final könnte sie auf die Belarussin Aryna Sabalenka treffen. Die Sympathien dürften in diesem Fall wieder klar verteilt sein. Pimm's hin oder her.

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