Nole hier, Djoker da, Novak Djokovic (34) überall. Seit über einer Woche befindet sich die Sportwelt im Bann des Einreise-Theaters um die Nummer 1 der Tennis-Weltrangliste. Mittlerweile ist klar: Djokovic muss Australien verlassen.
Ob der ganzen Posse geht schier vergessen, dass ab Montag die besten Tennis-Profis der Welt in Melbourne um den ersten Grand-Slam-Titel der Saison kämpfen. Nur einer schafft es neben dem Djoker noch ins Rampenlicht: Rafael Nadal (35). Der Mallorquiner steht wie Djokovic und Roger Federer bei 20 Major-Siegen und könnte sich bei den Australian Open zum alleinigen Major-Rekordhalter machen. In Melbourne hat er sein Verletzungscomeback mit dem Turniersieg des ATP-250-Turniers gekrönt.
Nadal ist die Stimme der Vernunft
Gute Voraussetzungen also für ein starkes Aussie Open. Die australischen Fans hat er nach den letzten Tagen sowieso schon in der Tasche: Während der ungeimpfte Djokovic mit einer Ausnahmebewilligung einreisen wollte und sich mit jedem Tag, den sich sein Visumswirrwarr hinzog, unbeliebter machte, entpuppte sich Nadal als die Stimme der Vernunft. «Wenn die Leute, die sich mit Medizin auskennen, sagen, man solle sich impfen lassen, sollten wir uns impfen lassen», sagte der Spanier trocken über die Causa Djokovic. «Er kennt die Regeln.»
Eine Haltung, die in Australien ankommt. «Die Australian Open sind viel wichtiger als jeder einzelne Spieler», sagt Nadal. Zudem sei er «mit vielen Dingen, die Novak in den letzten Wochen getan hat, nicht einverstanden».
Die Prognose ist nicht sehr gewagt: Während die Beliebtheitswerte von Djokovic (83 Prozent der Australier forderten am Freitag in einer Umfrage seinen Landesverweis) Rekordtiefen erreicht haben, wird es bei Nadal umgekehrt sein. Der Linkshänder, der vergangene Woche im Training einigen tennisbegeisterten Kids Tipps fürs Leben gegeben hat, hat sich in den letzten Jahren als zweiter grosser Sympathieträger neben Roger Federer etabliert.
Zweifel nach frühem Saisonabbruch
Doch mit Sympathiewerten allein gewinnt man kein Tennis-Major. Wie fit ist Nadal? Letztes Jahr musste er seine Saison kurz vor den US Open wegen Fussbeschwerden abbrechen. Es folgten ein Jahr Pause und eine überstandene Covid-Infektion.
Und nun beim Comeback gleich der Sieg beim ATP-250-Turnier von Melbourne. Gewiss, die stärksten Gegner hat er auf dem Weg zu Turniersieg Nummer 89 nicht überwinden müssen. Keiner ist unter den besten 90 der Welt klassiert. Und trotzdem macht er sich zum Kandidaten für den grossen Wurf beim ersten Major des Jahres. Nadal: «Von dort zurückzukommen, wo ich herkomme, ist etwas ganz Besonderes, und es macht mich glücklich. Es ist ein sehr positiver Start, denn ich bin durch schwierige Zeiten gegangen, mit vielen Zweifeln – selbst, ob ich überhaupt wieder antreten kann.»
Vollgas bei den Australian Open?
Nadal und Verletzungen – das ist eine langwierige Geschichte. 2005 wird bei ihm mit dem Müller-Weiss-Syndrom eine seltene Fusskrankheit festgestellt, die ihm fast die Karriere gekostet hat. Auch sonst hat er sich oft mit Blessuren herumgeplagt. So ist es wenig verwunderlich, dass er sich nur eines wünscht: «Die ganze Saison über gesund zu bleiben und ohne verletzungsbedingte Unterbrechungen 100 Prozent Leistung bringen zu können.»
Aktuell sehe er bei sich noch Luft nach oben, gibt der Melbourne-Sieger von 2009 zu. Gut möglich, dass er die Australian Open und die kommenden Monate nutzen will, seinen Rhythmus wieder zu finden, um kurz vor dem Sommer bei vollen Kräften zu sein. Dann könnte der Sandkönig seinem Namen ein weiteres Mal gerecht werden und in seinem Wohnzimmer wieder angreifen: den French Open.
Das sind für Rafa die nächsten Big 3
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die ewig herbeigeredete Ablösung der Big 3 scheint zuletzt endlich in Schwung gekommen zu sein. Das sieht auch der 89-fache Turniersieger so. Für ihn liefern sich Daniil Medwedew (ATP 2), Alexander Zverev (ATP 3) und Stefanos Tsitsipas (ATP 4) künftig den Kampf um die Nummer 1.
Ob der letzte verbliebene Tennis-Gigant Ende Monat mit dem 21. Major-Titel dasteht, scheint ihn selbst noch nicht gross zu beschäftigen. Angesprochen auf den möglichen alleinigen Rekord meint die Weltnummer sechs nur: «Das ist nichts, was mir den Schlaf raubt.» Die Stimme der Vernunft.