Er ist jung, unbekümmert und räumt an den Australian Open derzeit alles aus dem Weg, was ihm in die Quere kommt. Die Rede ist von Ben Shelton, der grössten Überraschung am diesjährigen Turnier.
Überraschung, weil er zuvor noch kein einziges Grand-Slam-Match gewonnen hat – jetzt gleich deren vier am Stück. Die Entwicklung des 1,93-Meter-Hünen aus Atlanta in den letzten zwölf Monaten ist bemerkenswert. Vor einem Jahr lag er noch auf Platz 570, nun wird er dank seines Wahnsinnslaufs in Down Under in die Top 50 vorstossen. Ins Turnier ging der Linkshänder als Nummer 89, auf Sand oder Rasen hat er noch keinen Ball geschlagen.
Shelton ist ein wahres Ballsport-Multitalent, wie er einst dem britischen TV-Sender «BBC» offenbarte: «Ich wuchs mit jedem Sport auf: Basketball, Fussball, Baseball, aber ich verliebte mich in American Football.» Er spielte auf der Position des Quarterbacks, verfügte über einen «Super-Arm», wie sein Vater Bryan Shelton gegenüber «L'Équipe» bestätigt.
Ihm ist es allerdings geschuldet, dass Sohn Ben auch die Faszination Tennis für sich entdeckte. Bryan Shelton war selbst Tennisprofi, 1992 die Nummer 55 der Welt und gewann zwei ATP-Titel (1991 und 1992 in Newport, USA). Für Ben sei Tennis ursprünglich keine Option gewesen: «Ich habe mir geschworen, nie Tennis zu spielen. Es war das Ding meines Vaters und ich wollte es ihm lassen.»
Strafe, wenn Training verschlafen
Als Zehnjähriger packte ihn jedoch die Lust, und er begann zusammen mit seiner Schwester Emma immer mehr zu trainieren – unter den Fittichen seines Vaters. Und die Trainingsroutinen hatten es in sich: «Wir fuhren jeweils um 5.30 Uhr los, trainierten von 6 bis 8 Uhr, danach gingen sie in die Schule. Am Nachmittag trainierten sie dann wieder zusammen», erzählt Bryan Shelton.
Ab und an fehlte Ben dann aber doch die Motivation, am Morgen aufzustehen. Sein Vater konnte auch da Abhilfe schaffen: «Wenn er ein Training verpasste und am anderen Tag wieder dabei sein wollte, musste er mir eine Art Strafe zahlen, so fünf bis zehn Dollar.» Zwei-, dreimal sei es vorgekommen, danach habe Ben verstanden, warum er diese Massnahmen traf, vor allem, weil «er sein Geld liebte».
Stoppt ausgerechnet ein Landsmann seinen Lauf?
Die harten Trainingsmethoden von Bryan Shelton haben sich ausgezahlt, die Karriere seines Sohnes ist nun so richtig lanciert. Im vergangenen Jahr nahm er an den US Open teil, schlug unter anderem die damalige Weltnummer 5 Casper Ruud beim ATP-1000-Turnier in Cincinnati und gewann im Herbst drei Challenger-Turniere. Daneben studiert Shelton Wirtschaft, belegt aufgrund seiner Karriere aber vorwiegend Online-Kurse. Lernen müsse er vor allem zwischen den Trainings und im Hotel während der Turniere.
In Melbourne richtet er den Fokus nun voll und ganz auf den anstehenden Viertelfinal. In der Nacht auf Mittwoch (4.30 Uhr) duelliert der 20-Jährige sich erstmals mit seinem Landsmann Tommy Paul (ATP 35). Der Halbfinal-Einzug wäre das i-Tüpfelchen auf ein ohnehin schon fantastisches Turnier. Der 20-Jährige weiss schon jetzt: «Meinen Erfolg habe ich definitiv meinem Vater zu verdanken.» (che)
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In Melbourne steht das erste Tennis-Highlight an: Hier gehts zur Resultat-Übersicht zu den Australian Open.
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