Einen halben Tag lang bangen die French Open um Roger Federer. Um 16.26 Uhr folgt der Schock. «Nach Gesprächen mit meinem Team habe ich entschieden, dass ich heute in Roland Garros aussteigen muss», meldet Federer via Twitter. «Nach zwei Knieoperationen und über einem Jahr Rehabilitation ist es wichtig, dass ich auf meinen Körper höre und sicherstelle, dass ich mich auf meinem Weg der Genesung nicht zu schnell überfordere. Ich bin froh, dass ich drei Spiele hinter mir habe. Es gibt kein besseres Gefühl, als wieder auf dem Platz zu stehen», so die Begründung.
Damit wird fix, was Federer in der nächtlichen Pressekonferenz nach dem Erfolg über Dominik Köpfer (27, ATP 59) schon angekündigt hatte: «Solche Matches hinterlassen generell immer Spuren. Nach diesem späten Ende müssen wir nun schon alles gut überlegen. Was ist mein Ziel, wofür bin ich hier hingereist? Das Turnier gewinnen wollte ich ja gar nie… Und ab wann ist es einfach zu viel?» Der bald 40-Jährige machte nie einen Hehl daraus, dass er in Roland Garros hauptsächlich Matchpraxis für die Rasensaison sammeln will.
Ein Novum in der Grand-Slam-Geschichte
Ob das operierte Knie mehr Probleme macht, als es Federers Auftritt vermuten lässt, erklärt er nicht. Ohne eine Verletzung kampflos auf den Achtelfinal eines Grand Slams zu verzichten, ist aber ungewöhnlich. Das findet auch Tennis-Experte Heinz Günthardt. «Der Entscheid wäre plausibel, wenn ihm das Knie wieder weh tun würde. Aber er kann nicht sagen, er sei müde und habe nun genügend gespielt. Das ist in der Grand-Slam-Geschichte einzigartig und will mir nicht recht gefallen», sagt Günthardt am Sonntagmorgen vor dem Entscheid zu «SRF».
Der Rückzug ist nicht der erste unpopuläre Entscheid in Federers Karriere. Dem Davis Cup kehrte er nach dem Sieg 2014 den Rücken, weil die Termine nicht in seinen Plan passen. Und 2017 verzichtete er nach seinem grandiosen Comeback mit Triumphen an den Australian Open, in Indian Wells und Miami auf die Sandsaison. Ein ausgeruhter Federer holte im selben Sommer seinen bisher letzten Wimbledon-Titel.
In dieser Hinsicht bleibt er konsequent: Der Rasensaison und Wimbledon ordnet er alles unter, opfert dafür auch den Achtelfinal der French Open, an denen er sich eh keine Siegchancen ausgerechnet hat. Meistens haben sich Federers Entscheide langfristig ausbezahlt. Ob die Rechnung erneut aufgeht, wird sich schon nächste Woche zeigen, wenn er in Halle erstmals auf Rasen antritt. (cmü)