Für die Mehrheit aller Tennis-Profis ist ein Achtelfinal an einem Grand Slam ein Karriere-Highlight. Freiwillig auf so eine Gelegenheit zu verzichten, käme ihnen nicht in den Sinn.
Roger Federer tut nun genau dies: Ohne erkennbare Verletzung zieht er sich vor dem Spiel gegen Matteo Berrettini von den French Open zurück. Aus seiner Sicht eine logische Entscheidung. Chancen auf den Turniersieg rechnete er sich nie aus. Für ihn ging in Paris darum, Matchpraxis zu sammeln und vor der Rasensaison möglichst gesund zu bleiben. Diese Mission ist nach drei Siegen für ihn offenbar erfüllt.
Aber Federer macht sich damit auch angreifbar. Er sei ein Rosinenpicker und verhalte sich unsportlich, lauten die Vorwürfe. Schliesslich ist Roland Garros immer noch ein stolzes Grand Slam. Es als Vorbereitungsturnier für Halle zu nutzen, kann sich höchstens ein Federer leisten. Die ungeschickte Kommunikation mit den Andeutungen in einer nächtlichen Pressekonferenz und dem Vollzug am Tag danach passt ins schräge Bild.
Federer wird sich von der Kritik aber nicht beirren lassen. Nach über 20 Jahren auf der Tour, in denen die ganze Sportart von ihm auch finanziell profitiert hat, ist er niemandem Rechenschaft schuldig. Und sollte ihm in Wimbledon tatsächlich der Coup gelingen, dann erinnert sich eh niemand mehr an Paris.