Dominic Stricker steht vor wegweisenden Wochen und Monaten. Die 20-jährige Nachwuchshoffnung aus Grosshöchststetten BE klopft an der Tür zur absoluten Tennis-Elite an, der grosse internationale Durchbruch ist ihm aber noch nicht gelungen. Wie planen? Wie viel Geld in ein noch professionelleres Umfeld investieren? Es sind die Entscheidungen, mit der sich jedes Talent, das auf ebendieser Schwelle steht, beschäftigen muss.
In Paris, wo er auch schon das Junioren-Turnier gewann, hat Stricker zuletzt mit der erstmaligen Teilnahme im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers einen Meilenstein erreicht. Wenn auch mit Glück – als «Lucky Loser». Dann aber blieb er gegen den haushohen Favoriten Tommy Paul (26, ATP 16) in drei Sätzen chancenlos: 3:6, 2:6, 4:6. Aktuell steht er beim Challenger-Turnier in Nottingham im Einsatz und hat sich da bereits für den Viertelfinal qualifiziert – mit einem 6:4, 6:2-Sieg am Donnerstag über Ryan Peniston (27, ATP 201). Jetzt bekommt er es mit dem Schotten Andy Murray (36, ATP 44) zu tun.
In seiner Altersklasse top
Davis-Cup-Captain Severin Lüthi (47) findet: «Domi ist mit 20 absolut im Fahrplan. Er ist die Nummer 117 der Welt, hat grosses Potenzial, aber auch noch einen langen Weg vor sich.» Der langjährige Wegbegleiter und Coach von Roger Federer (41) verweist darauf, dass in Strickers Altersklasse «nur wenige vor ihm» lägen. Von den Spielern bis und mit 21 Jahren ist Stricker weltweit der Neuntbeste. Hinter Top-Namen wie Carlos Alcaraz (20), Holger Rune (20) oder Lorenzo Musetti (21).
Es liegt auf der Hand: Der Schritt in die Top 100 ist das nächste grosse Ziel. Zumal dann die mühselige Qualifikation für die Grand-Slam-Turniere wegfallen würde. Ein lukrativer Platz im Hauptfeld wäre sicher. «Dann kannst du plötzlich anders budgetieren, kannst unter Umständen auch mal einen eigenen Physiotherapeuten engagieren», so Lüthi. Gleichzeitig betont er, dass solche strategischen Entscheidungen nicht allein vom ATP-Ranking abhängig gemacht werden sollten.
«Ich bin der Meinung, dass ein junger Spieler nicht zu fest auf Sicherheit achten darf. Man kann sich auch mal sagen: In ein, zwei Jahren bin ich sowieso in den Top 100 – also investiere ich jetzt Geld in die Karriere», erklärt der Berner. Dieser Mut zum Risiko brauche Selbstvertrauen: «Das zeigt mir auch, wie fest einer wirklich an sich glaubt.»
Stricker rüstet auf
Wie wertvoll beispielsweise ein eigener (aber teurer) Physiotherapeut auf der Tour sein kann, hat Stricker im vergangenen Halbjahr immer wieder festgestellt. Er hat beide Seiten erlebt: Als er das Challenger-Turnier in Prag gewann, verhalf ihm ein Physio zu idealen Rahmenbedingungen auf dem Weg zum Titel. An die French Open reiste er ohne an. Respektive: Er nahm die Therapeuten des Turniers in Anspruch, aber gleichzeitig eben auch in Kauf, je nach Nachfrage stundenlang auf die Behandlung warten zu müssen.
Dass Stricker mutig und optimistisch in die Zukunft blickt, haben die ersten Veränderungen in diesem Frühjahr aber schon gezeigt: Mit Dieter «Didi» Kindlmann (41, früher im Team von Maria Scharapowa und Trainer von Angelique Kerber) sowie Mentor Peter Lundgren (58), der Federer im Jahr 2003 zu seinem ersten Grand-Slam-Titel coachte, hat er viel Fachwissen ins Boot geholt.
Und: Er setzt neu auch auf zwei Physios, auf die er während des Grossteils des Jahres zurückgreifen kann. Die Strategie von Stricker? «All-in», wie sein Vater und Manager Stephan sagt.