Plötzlich steht sie da, auf der für sie bislang grössten Bühne – und muss in Englisch ein paar Worte ins Mikrofon sagen. Gerade hat Céline Naef (17) beim WTA-250-Rasenturnier in 's-Hertogenbosch (Niederlande) die 25 Jahre ältere Venus Williams geschlagen, die frühere Nummer eins der Welt und siebenfache Grand-Slam-Gewinnerin (3:6, 7:6, 6:2). Und jetzt meint Naef im Platzinterview etwas verlegen: «Ich kann es kaum glauben, dass ich die Gelegenheit hatte, gegen Venus zu spielen. Sie ist eine wunderbare Spielerin und ein Vorbild für alle.»
Bei der diesjährigen Ausgabe des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon wird ein Rekordpreisgeld verteilt. Insgesamt werden 44,7 Millionen Pfund (51,03 Millionen Franken) an die Spielerinnen und Spieler ausgeschüttet. Das sind 11,2 Prozent mehr als noch 2022.
Der Sieger und die Siegerin des Rasen-Klassikers erhalten jeweils 2,35 Millionen Pfund (2,68 Millionen Franken), für die Teilnahme an der ersten Runde gibt es 55'000 Pfund (62'794 Franken). (SDA)
Bei der diesjährigen Ausgabe des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon wird ein Rekordpreisgeld verteilt. Insgesamt werden 44,7 Millionen Pfund (51,03 Millionen Franken) an die Spielerinnen und Spieler ausgeschüttet. Das sind 11,2 Prozent mehr als noch 2022.
Der Sieger und die Siegerin des Rasen-Klassikers erhalten jeweils 2,35 Millionen Pfund (2,68 Millionen Franken), für die Teilnahme an der ersten Runde gibt es 55'000 Pfund (62'794 Franken). (SDA)
Das kleine Stadion auf der Anlage im Süden der Niederlande ist voll besetzt. TV-Stationen und Medien aus allen Ecken dieser Welt interessieren sich für die Partie, weil es Venus' Comeback-Versuch nach fünfmonatiger Pause ist. Auch Serena Williams, ihre um ein Jahr jüngere, aber mit 23 Grand-Slam-Titeln noch erfolgreichere Schwester, ist unter den Zuschauern.
Doch der Applaus gehört an diesem Tag der jungen Frau aus Feusisberg SZ. Nach ihrem erfolgreichen Auftritt beim WTA-125-Turnier in Florenz im Mai, wo sie erstmals auf dieser Stufe den Achtelfinal erreichte, verblüfft sie nun auch eine Ebene darüber. Ebenfalls bei ihrer Premiere.
Es passt zu ihrem steilen Aufstieg der vergangenen acht Monate, über den sie sagt: «Diesen prompten Erfolg hatte ich überhaupt nicht erwartet, denn ich wusste ja auch gar nicht, wo ich stehe.» Anfang Oktober 2022 lag sie im WTA-Ranking noch an 874. Stelle, ehe sie mit Siegen an kleineren ITF-Turnieren in Reims (Fra), Cherbourg-en-Cotentin (Fra), Loughborough (Gb) und Porto (Por) den Turbo zündete – und in der Weltrangliste immer weiter hochkletterte. Dank ihrer Exploits startete sie zuletzt an den French Open direkt in der Quali der Frauen, anstatt beim Juniorenturnier, für das die am 25. Juni 18 Jahre alt werdende Teenagerin noch spielberechtigt gewesen wäre.
Nun wird Naef nach 's-Hertogenbosch, wo sie am Donnerstag in Runde zwei auf die US-Amerikanerin Caty McNally (21, WTA 62) trifft, mindestens im Bereich um Platz 175 geführt sein. Also so gut wie noch nie.
Hochkarätiges Team
Naef gilt als die grösste Schweizer Nachwuchshoffnung der Frauen. Aktuell wird sie beim Verband von Ex-Profi Michael Lammer (41) betreut, zudem kann sie immer wieder auf die Expertise von Fedcup-Captain Heinz Günthardt (64) zurückgreifen. Dieser sagt über Naef: «Sie ist eine äusserst fleissige und diszipliniert arbeitende Spielerin, die von Natur aus sehr athletisch ist.» Alessandro Greco (42), Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis, bezeichnet sie als «Löwin», die niemals aufgebe und gerade deswegen so erfolgreich sei.
Neben dem Verband ist es vor allem ihre Mutter Sandra, die den Trainings- und Turnieralltag mitgestaltet – und so den Spagat zwischen Coach- und Mama-Rolle schaffen muss. Vater Ronald zieht im Hintergrund die Fäden, kümmert sich ums Management.
Naef sagt: «Wir stehen uns alle sehr nahe. Die Familie ist das Wichtigste. Sie gibt mir extrem viel Kraft, sie alle unterstützen mich sehr.» Auch zu ihrem jüngeren Bruder Nicolas (ein Fussball-Goalie) pflege sie ein gutes, enges Verhältnis, weshalb es «nicht immer so einfach» sei, im Jahr so viele Wochen weg zu sein.
Hingis als Vorbild
Bis 2019 trainierte Naef während acht Jahren in Wollerau SZ in der Tennisschule von Melanie Molitor (66), der Mutter von Martina Hingis (42). Die Ostschweizerin, die mit 16 Jahren ihren ersten von fünf Grand-Slam-Siegen einfuhr, wurde dabei rasch zu Naefs Vorbild: «Mich hat schon immer fasziniert, wie sie jeweils die Punkte herausgespielt hat. Sie war nicht sehr gross und auch nicht sehr kräftig – wie ich. Sie hat vorgemacht, wie man trotzdem körperlich überlegene Spielerinnen besiegen kann.»
Nun, gegen Venus Williams hat auch Naef diesen Beweis bereits erbracht. Und Günthardt glaubt, dass bald weitere grosse Siege folgen könnten – auch wenn es bis dahin noch ein Prozess sei: «Ihre Stärke wäre das offensive Spiel. Aber weil sie vom Charakter her eine vorsichtige Person ist, fällt es ihr an gewissen Tagen noch schwer, ihre Stärke voll auszuspielen.»
Mit zunehmender Erfahrung könnte aber auch diese Baustelle behoben werden, so Günthardt, der mit viel Freude in die Zukunft blickt: «Die Kombination aus Fleiss, Disziplin und Athletik ist so potent, dass Céline den Schweizer Tennisfans noch viel Freude bereiten dürfte.»