Auf einen Blick
- Alexander Ritschard steht erstmals in den Top 100 der Tennis-Weltrangliste
- Ritschard überwand schwere gesundheitliche Probleme aufgrund eines Geburtsfehlers
- Er gewann bereits drei Challenger-Titel in dieser Saison
Mitten in der schwierigen Umbruchphase im Schweizer Tennis hält doch noch ein Eidgenosse das rotweisse Fähnchen in den Top 100 der Welt hoch: Mit Alexander Ritschard hat erstmals seit Juli wieder ein Mann die magische Marke geknackt. Es ist nicht einer der jungen Wilden wie Dominic Stricker (22), Leandro Riedi (22) oder Jérôme Kym (21) und auch nicht der dreifache Grand-Slam-Sieger Stan Wawrinka (39), sondern ein 30-Jähriger. Einer, der sich glücklich schätzt, überhaupt noch Tennis spielen zu können – und nun spät, aber doch noch reüssiert.
Ritschard hat in Lissabon seine Saison mit dem dritten Challenger-Titel der Saison vorläufig gekrönt und weist als 99. erstmals ein zweistelliges Ranking auf. Der Zürcher ist in der portugiesischen Hauptstadt älter als jeder seiner Gegner, spielt aber all seine Erfahrung aus – und sagt hinterher: «Ich erachte mich selbst immer noch als jung. Die Leute in der Tennis-Welt sehen mein Alter und sagen: Uff, der ist schon 30. Aber für mich geht es jetzt womöglich erst richtig los.» Er wolle schauen, wohin sein Weg noch führe, meint der Routinier in der Medienrunde.
Verlockend: Dank seiner neuen Position in der Weltrangliste stehen sogar die Chancen auf einen Fixplatz im Hauptfeld der Australian Open im Januar gut. Nach bislang zwei Grand-Slam-Teilnahmen über den harten Quali-Weg (2022 in Wimbledon und an den US Open) wäre auch dies ein Meilenstein, der in seiner Karriere zwischenzeitlich in weite Ferne geriet.
«Das hätte meine Tennis-Karriere früh beenden können.»
Ritschard hatte als Jugendlicher und junger Erwachsener mit grossen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Wachstumsstörungen, verursacht durch einen Geburtsfehler, bremsten ihn aus. Vier Operationen waren nötig, weil eine Rippe im rechten Schulterbereich eine Arterie verschloss. Da sein Arm zwischenzeitlich kein Blut mehr erhielt, schrammte er an einer Amputation vorbei, ehe die Ärzte mittels Stent doch noch einen Weg fanden, die Arterie zu öffnen. Ritschard ist sich seines Glücks bewusst, er sagt: «Das hätte meine Tennis-Karriere früh beenden können.» Ja, das ganze Leben des 1,93 m grossen Athleten, dessen Mutter Amerikanerin ist und der an der University von Virginia in Charlottesville studierte, wäre komplett auf den Kopf gestellt worden.
Doch sein Arm erholte sich – und Ritschard konnte seinen Traum doch noch verfolgen. Und davon profitieren auch die Schweizer Tennis-Fans. Nachdem er sich zwischenzeitlich dem US-Verband angeschlossen hatte, gab er 2022 sein Davis-Cup-Debüt für die Schweiz. Und jetzt ist er gar die Nummer 1 des Landes.