«Es ist sehr komisch. Irgendjemand im Lebensmittelladen kenne ich besser als meine Zwillings-Schwester», sagt Béatrice Bouchard.
Wie bitte? Béatrice ist die sechs Minuten ältere Schwester von Tennis-Star Eugenie, genannt Genie Bouchard. Und sie packt nun in einem Interview über ihre komplizierte Beziehung zu Genie aus.
Aufgewachsen sind die beiden Zwillinge mit ihrer Mutter Julie Leclair und Vater Michel Bouchard, einem Investment-Banker, in Montreal. Allerdings nur bis sie 10 Jahre alt sind. Dann nämlich beginnt die Geschichte schwierig zu werden.
«Alles andere als eine perfekte Familie»
Beatrice: «Wir sind definitiv keine einfache, glückliche, perfekte Familie. Sogar alles andere als das. Unsere Eltern liessen sich scheiden, sie waren nicht glücklich miteinander. Genie war von da an fast den ganzen Rest ihres Lebens bei meiner Mutter. Ich, unsere Geschwister Charlotte und William bei meinem Vater. Wir wuchsen also getrennt auf.»
Die Trennung der Familie löst viele Probleme aus. Es kommt zu Grabenkämpfen innerhalb des Gefüges. Béatrice erzählt: «Die Situation löste enorme Spannungen aus. Vor allem zwischen mir, Charlotte, Will und meiner Mutter, sowie zwischen Genie und unserem Vater.»
«Sie ist eine fremde Person für mich»
Die Probleme innerhalb der Familie würden bis heute andauern, erklärt Béatrice. «Es ist bis heute so, überhaupt nicht perfekt. Halt einfach auch, weil ich sie nur zwei Mal pro Jahr gesehen habe, seit wir 10 Jahre alt waren.» Deshalb stünden ihr Menschen im Supermarkt näher, als ihre eigene Zwillings-Schwester. «Es ist verrückt. Sie ist fast eine fremde Person für mich.»
Die Leute würden sie ständig fragen: «Warum reist du nicht einfach mit ihr durch die Welt? Warum gehst du nicht jedes Jahr mit ihr nach Wimbledon oder an die French Open?» Béatrice: «A: Ich ging zur Schule! Und ich habe auch ein Leben zu leben. Und B: Wer hätte das bezahlen sollen? Genie bezahlte das nicht. Und das ist ein perfektes Beispiel. Die Leute denken wohl: Geh doch mit deiner Schwester, sie bringt dich überall hin. Nein, meine Schwester brachte mich nirgends hin. Und wenn ich sie in Wimbledon spielen sehen wollte, sagte sie: Okay, komm und seh mich spielen, kauf dir dein Flugticket und komm.»
«Ich war nur noch ‹die Schwester›»
Auch die ständigen Vergleiche mit ihrer Schwester lasten auf Béatrice: «Alle haben mich mein Leben lang mit meiner Zwillings-Schwester verglichen. Und das ist schwer. Lasst mich euch sagen: Das ist sehr schwer!»
Sie sei von allen nur noch als «die Schwester» angesprochen worden. «Stellen sie sich das während 20 Jahren vor. Da fühlt man sich auch selber nicht mehr als Person, ich war nur noch ‹die Schwester›.» Sie wisse, dass dies nicht böse gemeint ist. Doch es habe etwas mit ihr, mit ihrem Selbstvertrauen gemacht.
Auch wenn sie heute nicht die perfekte Beziehung zu ihrer Star-Zwillings-Schwester hat, mittlerweile scheint Béatrice die Probleme überwunden zu haben und im Reinen mit sich zu sein. Ihre Schwester Genie, momentan die Weltnummer 141 des Frauentennis, lebt unterdessen in Miami, Florida. (wst)