Selber Rechnungen bezahlen, Verträge lesen und seine Bankkonten im Überblick behalten. Was für den Otto Normalverbraucher eine Selbstverständlichkeit ist, kennt Boris Becker (54) nur vom Hörensagen. Der ehemalige Tennis-Star verblüfft am fünften Tag seines Verfahrens mit grossen Wissenslücken.
Der Deutsche habe weder die Zeit noch die Geduld, um Verträge zu lesen. Dies sei «leider» heute noch so, gibt der Angeklagte zu. Auch den Überblick über seine Bankkonten habe er verloren. «Ich wusste nicht, wie viele Konten ich besitze», erklärt der in London wohnhafte Becker im Gerichtssaal. Alles was mit Finanzen zu tun hat, liege im Aufgabenbereich seines Beraters.
Was ist der Plan von Becker?
Während der stundenlangen Anhörung zeigt sich der dreifache Wimbledon-Sieger wortkarg. Wenn er spricht, dann in Englisch. Die meiste Zeit aber redet sein Anwalt Jonathan Laidlaw. Becker bestätigt die Aussagen seines Rechtsbeistandes in unregelmässigen Abständen mit den Worten: «Das ist korrekt.»
Becker sei nach eigener Aussage «schockiert» und «beschämt» gewesen, als er im Juni 2017 für bankrott erklärt wurde. Sein Bankrott sei durch die britische Justiz wenige Tage vor dem Wimbledon-Turnier verkündet worden, wo er für die BBC sowie australische und japanische Fernsehsender kommentieren sollte, so Becker am Montag vor dem Londoner Gericht.
«Habe mich geschämt, weil ich pleite war»
«Wie Sie sich vorstellen können, war ich darüber schockiert. Weil weltweit darüber berichtet wurde. Und ich bin durch das Wimbledon-Tor gegangen und alle wussten es», sagt der 54-Jährige über seine Bankrotterklärung 2017. «Ich habe mich geschämt, weil ich pleite war.» Zu jener Zeit habe er zudem eine «stressige Zeit» mit seiner damaligen Ehefrau Lilly Becker gehabt, sie hätten in unterschiedlichen Bereichen ihres Miethauses in Wimbledon gewohnt.
Die negative Berichterstattung über seinen Bankrott habe der «Marke Becker» geschadet, erklärt der sechsfache Grand-Slam-Sieger weiter. Deshalb habe er Probleme gehabt, genug Geld zu verdienen, um seine Schulden zu bezahlen.
Becker streitet alles ab
Bei einem der 24 Anklagepunkte wird dem dreifachen Wimbledon-Sieger vorgeworfen, dass er versucht habe, Wertgegenstände, Geld sowie Immobilien dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu entziehen. Becker streitet alles ab.
Was seine Ahnungslosigkeit genau bewirken soll, darüber wird viel spekuliert. Es wird davon ausgegangen, dass man den Geschworenen einen Mann präsentieren möchte, der vielleicht durch Nachlässigkeit, aber niemals aus böser Absicht heraus, in diese Situation geraten ist. Becker drohen bis zu sieben Jahre Haft. (nab/AFP)