BLICK-Sportchefin Steffi Buchli zum Federer-Comeback
Roger ist glücklich – wir nur so halb

Das Publikum hat Mühe damit, dass Roger Federer nicht mehr der Unantastbare ist. Das ist unser Problem, nicht seins, findet BLICK-Sportchefin Steffi Buchli. Ein Kommentar.
Publiziert: 14.03.2021 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2021 um 14:05 Uhr
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Federer bei seinem Comeback nach dreizehn Monaten Verletzungspause: Der Schweizer gewinnt in Doha gegen den Briten Daniel Evans.
Foto: foto-net / Paul Zimmer
Steffi Buchli

«Ich habe ihn vermisst!» Das ist kein Tagebucheintrag einer sehnsüchtig wartenden Geliebten. So haben sich Tennisexpertinnen, Arbeitskollegen und Journalistinnen in den Tagen vor Roger Federers Comeback geäussert. Dreizehn Monate war er weg, er wurde zweimal am Knie operiert und kämpfte sich abermals zurück.

Der erste Auftritt in Doha nährte unsere Hoffnung, dass alles nochmals gut kommt mit ihm und uns. Bleiben wir beim Jargon der Liebenden: Roger Federer strahlte nach dem Sieg gegen Daniel Evans wie nach dem ersten Date. Wir auch.

Dann kam Runde zwei und die Niederlage gegen Nikolos Basilaschwili. Es war wie im Beziehungsleben der erste Streit am Küchentisch nach dem aufregenden Wieder- Zusammenfinden. Ernüchterung total: Roger Federer wirkte müde, angeschlagen, verletzlich.

Roger Federer scheidet in Doha aus
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Endstation Viertelfinale:Roger Federer scheidet in Doha aus

Früher: Schmetterlinge im Bauch

Wird es je wieder so wie früher sein, als wir diese Schmetterlinge im Bauch hatten, er vor Jugendlichkeit strotzte und – gefühlt – immer gewann? Es ist also doch nicht so einfach, merkten wir. Das war unsere Stimmungslage.

Wie aber ging es Roger Federer in diesem Moment? Er sei einfach nur glücklich, wieder hier zu sein, sagte der 39-Jährige nach dem Match. Und mit dieser Aussage nähern wir uns in der komplexen Beziehungskiste dem entscheidenden Punkt: Wir haben ihn vermisst.

Er uns sicher auch ein bisschen, unser Klatschen, unsere Bewunderung, unsere Ohs! und Ahs! Er mag uns, klar. Aber seine wirklich grosse Liebe ist das Spiel. Wir sind die Zweckgemeinschaft, das Tennis seine Amour fou.

«Tu uns das nicht mehr an!»

Ein Fan schreibt auf Twitter: «Setz dich zur Ruhe. Geniess dein Geld und deine Familie, aber tu uns das nicht mehr an!» Wie falsch diese Aussage doch ist! Es geht nicht um uns. Ja, wir leiden. Ja, wir wünschen uns die Zeiten des «Unbesiegbaren» zurück.

Wenn wir es nicht ertragen, dass Federer nicht mehr das übermenschliche, immer siegende Monster ist, dann ist das unser Problem. Er nämlich sieht die Welt ganz rosarot.

Sicher haben Sie auch diesen einen Freund im Bekanntenkreis, der diese Beziehung führt, die niemand wirklich versteht, weil sie so wild und hochemotional ist. Was raunt man sich da jeweils zu? «Hauptsache, er ist glücklich!» – Das sollten wir uns zu Herzen nehmen. In dem Sinne: Ein Hoch auf die wahre Liebe!

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