Thabo Sefolosha (37) war der erste Schweizer Basketballspieler in der NBA. Im März beendete er nach fast 1000 Spielen in der besten Liga der Welt seine Karriere. Nun wird sich manch einer fragen: «Was hat das mit dem Super-G in St. Moritz zu tun?» Eigentlich nichts. Doch Sefolosha hat auf seinem linken Oberarm ein Tattoo, welches sich auch Lara Gut-Behrami in ähnlicher Form stechen lassen könnte. «The Game Chose Me», liess sich der Romand stechen. «Das Spiel wählte mich». Im Fall der Tessinerin müsse man es ändern in: «Der Super-G wählte mich.»
Das macht sie an diesem eisig-kalten Tag auf der Corviglia wieder einmal deutlich, Gut-Behrami gewinnt nach einer perfekten Fahrt. Es ist ihr 33. Weltcupsieg und der 17. in der von ihr so geliebten Disziplin. Damit liegt sie in der ewigen Sieges-Rangliste neu auf Rang 2, einzig Ski-Königin Lindsey Vonn (USA) hat mit 28 Erfolgen mehr.
8 Rennen, 6 Siege, zweimal Zweite
Ob Gut-Behrami einst Vonn überholen wird, ist fraglich. Diese Saison ist sie noch dabei, vielleicht auch nächsten Winter. Bei der Frage, ob sie sich vorstellen könnte, bis zu den Olympischen Spielen 2026 in Mailand/Cortina (It) weiterzufahren, winkt sie allerdings ab. «Da habe ich Besseres zu tun», so Gut-Behrami. Umso mehr sollten die Schweizer Ski-Fans ihre Fahrten geniessen. Und tatsächlich spricht viel dafür, dass sie auch künftig weitere Siege bejubeln werden. Denn: Gut-Behramis jüngste Bilanz im Super-G ist schlicht atemberaubend. Von acht Super-G in diesem Jahr gewann sie deren sechs, darunter der wichtigste bei der WM in Cortina. Dazu kommen zwei zweite Plätze. Längst sind sich alle einig: Gut-Behrami ist Miss Super-G!
Gut-Behrami ist wie Zurbriggen
«Es ist cool, ich geniesse es», sagt sie nach ihrem Sieg in St. Moritz, «aber es hat einiges gebraucht, bis es wieder so klappte.» Vor allem der Kreuzbandriss 2017, welcher sie beim Einfahren des WM-Kombi-Slaloms erlitt, warf sie weit zurück. Gut-Behrami haderte mit der Abstimmung, fand den Tritt nicht mehr, einige legten ihr den Rücktritt nahe. Doch sie kämpfte weiter. Und schliesslich hatte sie ja noch den Super-G, ihre Schokoladendisziplin. Da klappte es mit wenigen Ausnahmen immer. Warum? Weil Gut-Behrami wie geschaffen ist für diese Disziplin. Sie ist mutig, technisch brillant und körperlich stark – selbst jetzt, nach einer wochenlangen Erkältung.
Vor allem aber ist Gut-Behrami die Weltbeste, wenn es um Taktik und Intuition geht. Sie schätzt bei der Besichtigung die Radien zwischen den Toren, den Schnee und das spätere Tempo während der Fahrt hervorragend ein. Und wird Gut-Behrami später doch einmal überrascht, improvisiert sie, ohne aber die Ski querzustellen. «Lara besitzt ähnliche Fähigkeiten wie ich zu meiner Aktivzeit», weiss Ski-Legende Pirmin Zurbriggen. Wir erinnern uns: Der Walliser gewann in den späten 80ern vier kleine Super-G-Kristallkugeln und wurde 1987 in Crans-Montana Weltmeister. Zurbriggen war Mister Super-G, Gut-Behrami ist heute Miss Super-G.
Goggia: «Rivalität mit Lara ist cool»
Was war diesmal, 13 Jahre nach ihrem ersten Weltcupsieg – auch diesen errang sie Super-G von St. Moritz – entscheidend? Für Gut-Behrami war das diffuse Licht entscheidend. «Man musste sich trauen. Einige hatten heute viel Respekt – das wird sich morgen ändern», sagt sie. Tatsächlich werden für den Sonntag bessere Lichtverhältnisse vorausgesagt, sogar die Sonne soll scheinen.
Ob sich dann etwas am Klassement in den vorderen Positionen ändert, ist allerdings fraglich. Mit Gut-Behrami, Sofia Goggia (2.) und Mikaela Shiffrin (3.) belegen nicht nur die talentiertesten, sondern auch sehr erfahrene Athletinnen das Podest. Vor allem Gut-Behramis Speed-Duell mit Goggia, die trotz Fehler die Ski immer laufen lässt, hat das Potenzial zum Klassiker. Die Italienerin meint: «Diese Rivalität auf der Piste ist cool. Der Sport lebt von Figuren, die sich gegenseitig pushen.» Fortsetzung folgt.