Auch mit 32 Jahren und 6 Monaten gehört Lara Gut-Behrami noch lange nicht zum alten Eisen. Das hat sie mit ihrem Sieg beim Saison-Auftakt in Sölden bewiesen. Trotz körperliche Probleme («Ich habe meine Tage, es geht mir katastrophal») und gefühlt zehn Prozent weniger Power erringt sie ihren 38. Weltcupsieg. Damit hat Gut-Behrami in 13 Wintern mindestens einen Weltcupsieg errungen – nur ihr einstiges Vorbild, Renate Götschl (48, Ö), liegt mit 14 noch vor ihr.
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann (54) ist begeistert: «Lara ist noch stärker als früher. Sie hat in den letzten Jahren eine innere Ruhe, eine innere Mitte gefunden. Sie ist sehr reif, das merkt man in den Gesprächen. Ich bin tief beeindruckt.» Die Tessinerin wisse genau, wo sie sich in den Trainings zurücknehmen will und wann wieder Gas geben müsse. «Sie bringt alle Elemente sehr gut auf die Reihe.»
Grosse Kondi-Blöcke in Spanien
Tatsächlich wirkt Gut-Behrami nicht nur im Kopf ausgeglichen, sondern auch extrem austrainiert. Zwar hatte sie im Sommer so wenige Ski-Tage wie nie zuvor, dafür investierte sie viel ins Kondi-Training. Zweimal zwei Wochen verbrachte sie bei ihrem spanischen Coach Alejo Hervas in in Granada (Sp) und feilte an ihrer Form. «Es braucht eine gute Basis, um hoffentlich gesund durch den Winter zu kommen.»
Der Anfang ist gemacht. «Nun will ich so weitermachen», kündigt Gut-Behrami an. «Das ist nicht einfach, aber es tut gut, schon einmal auf dem obersten Podest gestanden zu sein.»
Zurück zu Lehmann. Dem Verbandsboss ist klar, dass Gut-Behrami nun nicht ein Rennen nach dem anderen gewinnen wird. «Wenn die Sicht zum Beispiel schlecht ist, wird Lara vielleicht nicht alles riskieren. Sie hat das Gesamtbild im Kopf. Es ist doch so: Mit 16 oder 17 Jahren geht man fast blind in ein Rennen, man nimmt mehr Risiko. Lara hatte ihre Verletzungen, sie hat viel aus ihnen gelernt.»
«Der Schalter kann über Nacht kippen»
Und wie lange wird Gut-Behrami noch weitermachen? «Ich will noch einige Jahre vom Skirennsport profitieren», sagte sie zuletzt. Das muss allerdings nichts heissen, weiss auch Lehmann. «Ob man als erfahrener Athlet noch die Motivation findet oder nicht, ist eine Gratwanderung. Manchmal kippt der Schalter über Nacht.» Das habe man bei Matthias Mayer (33, Ö) im letzten Winter und bei Lucas Braathen (23, No) vor wenigen Tagen gesehen – sie traten Knall auf Fall zurück.
Fakt ist: Sollte sich Gut-Behrami nach ihrem Kreuzbandriss 2017 noch einmal schwer verletzen, würde sie kaum noch einmal zurückkehren. Lehmann nennt einen weiteren Aspekt: «Lara hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Sie setzt sich die Latte sehr hoch. Um Platz 20 oder 30 herum will sie sicher nicht fahren. Aber das ist zum Glück ja momentan nicht der Fall.»
Gut-Behrami macht nun eine Woche Ski-Pause, um die Batterien wieder zu füllen. Dann wird sie Super-G trainieren, ehe sie am 15. November zum ersten Training für die Abfahrten am Matterhorn antritt. «Das geht schnell», sagt sie schmunzelnd.