Am 11. Dezember 2022 gabs für beide besondere Titel. Marco Odermatt wurde zum zweiten Mal in Serie zum Schweizer Sportler des Jahres erkoren, Roman Josi triumphierte bei den Sports Awards in der Kategorie «Bester Mannschaftssportler». Zur ersten richtigen Begegnung der Ausnahme-Athleten kommt es aber erst sieben Monate später auf dem Golfplatz in Interlaken. Nach einem packenden Schlagabtausch auf den Greens entwickelt sich im Clubhaus zwischen dem Weltmeister und Olympiasieger aus dem Kanton Nidwalden und dem Berner NHL-Allstar ein launiges Gespräch.
Roman, stimmt das Gerücht, dass Sie wegen dem Skisport den Vertrag bei den Nashville Predators gebrochen haben?
Roman Josi: In meinem Vertrag steht, dass ich keine Risikosportarten ausüben darf. Das heisst, dass ich keinen Lohn erhalte, sobald ich mich beim Skifahren verletze. Vor fünf Jahren habe ich dieses Risiko dennoch auf mich genommen – ich habe während dem All Star Break in Jacksonville die Ski angeschnallt. Seitdem bin ich aber nie mehr Ski gefahren.
Marco Odermatt: Aber Tennis spielst du regelmässig, oder?
Josi: Ja, in der Sommerpause.
Odermatt: Meines Erachtens ist die Gefahr, dass du beim Tennis mit dem Fuss umknickst mindestens so gross wie die Wahrscheinlichkeit, dass du dich auf der Skipiste verletzt.
Josi: Da könntest du recht haben. Trotzdem wird Tennis in unseren Verträgen im Gegensatz zu Ski nicht als Risikosportart eingestuft.
Marco, wie steht es um Ihre Eishockey-Künste?
Odermatt: Ich habe es ein paar Mal probiert. Aber spätestens in der Rekrutenschule in Magglingen musste ich feststellen, dass ich in dieser Sportart ziemlich talentfrei bin.
Warum?
Ich wollte dort im Hockey-Campus ein paar Schüsse abgeben, aber ich habe es kein einziges Mal geschafft, dass der Puck schön durch die Luft flog.
Im Eishockey gehört ein echter Schlagabtausch mit dem Gegenspieler zum Geschäft. Im Skisport sind Faustschläge verpönt. Aber hat es auch schon Momente gegeben, in denen Sie Henrik Kristoffersen, Alexis Pinturault oder Aleksander Aamodt Kilde gern verprügelt hätten?
Odermatt: Weil ich in den letzten Jahren die meisten Rennen erfolgreich beendete, hat es solche Aggressionsmomente eigentlich gar nie gegeben. Zumal ich ja in erster Linie gegen die Zeit und nicht gegen den Mann fahre. Im Gegensatz zum Eishockeymatch schlägt mir während einem Rennen niemand mit dem Stock ins Gesicht. Dennoch muss ich zugeben, dass ich einmal eine heftige Rauferei auf der Skipiste hatte.
Wann und gegen wen war das?
Ich war 14 oder 15 Jahre alt und habe zusammen mit meinen Jugendfreunden Fabian Bösch und Gabriel Gwerder auf dem Gletscher in Saas-Fee trainiert, als es zu einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Franzosen kam. Es begann am Morgen mit Provokationen in der übervollen Metro-Alpin-Bahn und ging weiter mit Raufereien nach dem Aussteigen und während dem Anstehen vor dem Bügellift. Wir haben uns an diesem Tag auch Verfolgungsjagden wie im Film geliefert. Weil wir die besseren Skifahrer waren, ging diese Geschichte für unsere Widersacher aber nicht gut aus. Wir sind derart schnell über einen schmalen Weg gebrettert, dass es praktisch in jeder technisch anspruchsvollen Kurve einen der französischen Verfolger auf den «Latz» haute. Am Ende dieser Verfolgungsjagd waren wir immer noch zu dritt, während nur noch ein Franzose da war. Und dieser hat dann eingesehen, dass er im Alleingang gegen uns nichts mehr ausrichten kann und ist deshalb entnervt davon gefahren.
Josi: Ich hatte in meiner NHL-Karriere zwei Prügeleien.
Odermatt: Wie sind diese Kämpfe ausgegangen?
Josi: Ich habe diesbezüglich eine ausgeglichene Bilanz. Gegen Bostons Brad Marchand habe ich gewonnen, das war aber eher ein Ring- als ein Boxkampf. Den Schlagabtausch gegen Mark Stone habe ich verloren. Wenn es dich interessiert, kannst du im Internet beide Kämpfe auf Hockeyfights.com anschauen.
Odermatt: Ich werde es mir bei nächster Gelegenheit zu Gemüte führen.
Wenn man sich bei Ihren Teamkollegen nach Ihren Schwächen erkundigt, sagen fast alle: Der Odermatt kann alles, nur verlieren kann er nicht. Haben sie recht?
Odermatt: Ja, das sagen sie immer, was ich überhaupt nicht verstehen kann (lacht). Im Ernst: Wahrscheinlich haben meine Teamkollegen schon recht. Aber wenn man es genau nimmt, kann in unserem Team gar keiner gut verlieren. Jeder ist so ehrgeizig, dass er selbst beim simplen Kartenspiel unbedingt gewinnen will. Aber es ist nicht so, dass wir in solchen Momenten aggressiv aufeinander losgehen. Es bleibt beim «dumm Schnorrä».
Marco, was bewundern Sie ganz besonders an Roman Josi?
Odermatt: Im Vergleich zum Eishockey nimmt der Skirennsport weltweit betrachtet nur einen kleinen Stellenwert ein. Deshalb ist es für mich schon sehr beeindruckend, dass Roman in einer so grossen Sportart seit bald zehn Jahren serienmässig Top-Leistungen abliefert. Er ist Team-Captain in der besten Liga der Welt. Und wenn einer eine Mannschaft so gut führen kann, ist das für mich ein Beleg dafür, dass er nicht nur ein herausragender Sportler, sondern auch ein ganz toller Mensch ist.
Josi: Ich werde rot, wenn du so über mich sprichst. Und ich möchte das Kompliment zurückgeben. Früher habe ich bei meinen Teamkollegen in Nashville immer angegeben, dass ich der Landsmann von Roger Federer bin. Seit dem Rücktritt von Roger gebe ich mit dir an, Marco. Obwohl du erst 25 bist, hast du schon so viele Rekorde von grossen Legenden gebrochen. Und wenn du eines Tages aufhören wirst, wirst du aller Voraussicht nach als einer der grössten Skirennfahrer in die Geschichte eingehen. Wenn ich mit meinen Schweizer Freunden rede, sind alle so Riesen-Fans von dir, weil du eben auch ein super Mensch bist. Und deshalb freut es mich riesig, dass ich dich nun auch persönlich kennenlernen darf.
Odermatt: Die Freude ist ganz meinerseits.
Obwohl Sie sich bis zu diesem Interview nie begegnet sind, hängt in Odermatts Kraftraum in Stans schon seit letztem Winter ein handsigniertes Josi-Trikot. Wie ist es dazu gekommen?
Odermatt: Roman hat mir dieses sehr coole Geschenk im letzten November nach Lake Louise geschickt. Trotz aller Sympathie für Roman wollte ich das Trikot nicht im Schlafzimmer aufhängen. Der Platz im Kraftraum ist auch deshalb sehr passend, weil hier auch mein Jugendfreund und WG-Partner Gabriel Gwerder trainiert. Und Gabriel ist ein riesengrosser NHL-Fan.
Josi: (Lacht.) Nach unserer Begegnung wirst du mein Trikot nun wahrscheinlich doch im Schlafzimmer aufhängen, oder?
Odermatt: Wir sollten es bei aller Sympathie nicht übertreiben ....
Roman, wie gross ist die Chance, dass Sie demnächst das Trikot von einem anderen NHL-Klub tragen werden?
Josi: Warum sollte ich?
Weil sich die Nashville Predators im letzten Frühling für einen sogenannten «Rebuild» entschieden hat und deshalb zahlreiche Schlüsselspieler durch junge Spieler ersetzt haben, die wohl erst in ein paar Jahren die Reife haben, um ernsthaft um den Stanley Cup spielen zu können.
Josi: Ich sehe das anders. Klar, wir haben einige wichtige Spieler abgegeben. Aber meines Erachtens haben wir mit Juuse Saros den weltbesten Torhüter in unseren Reihen. Unsere Abwehr ist generell sehr gut, und wir haben auch in der Offensive einige viel versprechende, junge Spieler geholt. Ich freue mich darauf, dass ich als Routinier diese jungen Spieler vielleicht auch ein bisschen inspirieren kann.
Ihr Agent ist gleichzeitig der Manager von Austin Matthews. Und deshalb hält sich in der NHL das Gerücht, dass Sie eines Tages zu den Toronto Maple Leafs, wo Matthews Captain ist, getradet werden ...
Josi: Nashville ist in den letzten Jahren zu meiner zweiten Heimat nach Bern geworden. Klar wäre Toronto auch eine super coole Stadt, in der sich alles ums Hockey dreht. Aber vielleicht würde mich die extreme Hockey-Begeisterung in Kanada zu sehr belasten. In Nashville kann ich mehr oder weniger anonym durch die Stadt spazieren, was in Toronto als Spieler der Maple Leafs unmöglich ist. Dort wirst du bei jedem Schritt beobachtet, und im Gegensatz zu Nashville schiessen die Medien dort sehr scharf, wenn es sportlich nicht so gut läuft.
Marco, Sie können in der Schweiz keinen Schritt mehr unerkannt tun. Ist das auch der Grund, warum Sie heuer im Gegensatz zu anderen Jahren kein einziges Schwingfest besucht haben?
Odermatt: Jein! Vielleicht hätte ich den Brünig-Schwinget besucht, wenn an diesem Wochenende nicht Mauro Caviezel geheiratet hätte. Und während dem Unspunnen war ich schon im Training in Südamerika. Aber es ist schon so, dass ich ein grosses Schwingfest aufgrund des Rummels um meine Person nicht mehr so geniessen kann wie noch vor drei, vier Jahren.
Marco bezeichnet sich selber als Patriot. Wie denkt Roman, der höchstens vier Wochen pro Jahr in der Schweiz verbringt, über seine alte Heimat?
Seit ich in den USA lebe, schätze ich die Schweiz noch viel mehr. Als ich noch fix hier gelebt habe, war für mich alles irgendwie selbstverständlich. Aber das alles eben nicht selbstverständlich ist, habe ich auch gemerkt, als ich im letzten Jahr mit Nashville in Bern gespielt habe. Meine Teamkollegen konnten fast nicht glauben, dass ich in diesem atemberaubend schönen, perfekt funktionierenden Land aufgewachsen bin. Die Amis wähnen sich bei uns wie im Disneyland.
Aber denken und träumen Sie 13 Jahre nach Ihrer Übersiedelung von Bern in die USA nicht viel mehr in Englisch als in Deutsch?
Josi: Es kommt darauf, in welchem Zusammenhang ich denke. Wenn sich in Nashville meine Gedanken um ein Predators-Thema drehen, denke ich in Englisch. Wenn ich aber an meine Familie in der Schweiz denke, mache ich das auf Berndeutsch. Wenn ich aber in der Schweiz bin, behaupten die Leute manchmal, dass sich zu viele englische Wörter in mein Deutsch vermischen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das so ist.
Reden Ihre beiden Kinder Deutsch?
Wenn ich mit den Kindern allein bin, rede ich eigentlich immer Berndeutsch. Aber sobald meine Frau dabei ist, reden wir Englisch, weil sie überhaupt kein Deutsch versteht.
Während die NHL-Stars auf ihren Dienstreisen in Nordamerika ausnahmslos in Luxus-Hotels einquartiert werden, haben sich viele Skirennfahrer bei den letzten Weltcuprennen in Aspen über die Unterkunft beschwert ...
Odermatt: Das erste Quartier, das ich in Aspen bezogen habe, war tatsächlich eher schäbig. Wir haben dann aber einen Mann kennengelernt, der uns gesagt hat, dass wir an Aspens Sonnenhang im Haus von einem seiner Kollegen wohnen können. Gino Caviezel, Justin Murisier und ich haben uns das Haus sofort angeschaut, uns hat dabei schier der Schlag getroffen.
Wieso?
Es war eine Villa – mit drei Swimmingpools, zwei Bars, Kino und einem Fitnessraum. Gino, Justin und ich haben dann drei Tage allein in diesem Traumhaus gewohnt. Die Hausangestellte hat uns jeden Tag die Wäsche gewaschen. Wir durften dort alles tun, ausser Fotos machen, weil dort sehr teure Kunstgegenstände platziert sind, die nicht veröffentlicht werden dürfen. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass es sich beim Besitzer um einen Sohn von Gunter Sachs handelt. Wir werden im kommenden Winter wieder dort wohnen.
Welches ist der grösste Luxus, den Sie sich privat leisten?
Odermatt: Mein Motorboot, das ich vor einem Jahr gekauft habe.
Josi: Die Häuser, die ich mir in Nashville und in Bern gebaut habe. In der Schweiz hatte ich lange Zeit eine Wohnung, die für mich allein top war. Aber mit zwei Kindern wäre das ein bisschen eng geworden. Sehr wahrscheinlich wird unser Hauptwohnsitz immer in Nordamerika bleiben. Aber nach meiner Hockeykarriere möchte ich die Ferien vermehrt in der Schweiz verbringen. Es ist mir wichtig, dass meine Kinder mein wunderbares Heimatland richtig kennenlernen und vor allem viel Zeit in den Bergen verbringen können.
Weil in der NHL die Gehälter der Top-Stars veröffentlicht werden, wissen wir, das Roman im Jahr rund 9 Millionen Dollar kassiert. Der Verdienst der Ski-Cracks ist geheim. Marco, können Sie uns verraten, ob Sie finanziell in derselben Liga wie Josi spielen?
Odermatt: Nein, bei weitem nicht. Aber ich will mich nicht beklagen, mir geht es sehr gut.
Kein Geheimnis ist, dass Sie grosse Erfolge gebührend feiern. Stimmt es, dass Sie in der finalen Phase der letzten Saison Ihren norwegischen Gegenspieler Henrik Kristoffersen mit einer Party demoralisiert haben?
Odermatt: (Schmunzelt.) Ja, das stimmt. Ich habe beim Weltcup-Finale in Andorra schon zwei Tage vor dem abschliessenden Riesenslalom zünftig gefeiert, weil ich nach meinem Super-G-Sieg die kleine Kugel erhalten habe. Red Bull hat dann eine Party organisiert, zu der auch Kristoffersen eingeladen wurde. Ich bin dann irgendwann auf die Idee gekommen, dass man den hohlen Innenraum der Kristallkugel mit drei Liter Champagner füllen sollte. Höflich wie ich bin, habe ich Henrik natürlich auch einen Schluck aus der Kugel angeboten. Er hat aber abgelehnt, während ich an diesem Abend mehrere kräftige Schlucke genommen habe. Deshalb hat Kristoffersen wahrscheinlich geglaubt, dass ich im Riesenslalom nicht mehr um den Sieg mitfahren könnte. Entsprechend niedergeschlagen war Henrik, als ich im finalen Riesen zwei Sekunden schneller war als er.
Aus der NHL sind diverse Beispiele von Spielern bekannt, die im Nachtleben überbordet haben. Der ehemalige Boston-Bruins-Stürmer Jimmy Hayes ist vor zwei Jahren an einer Überdosis gestorben ...
Josi: In meiner Anfangszeit habe ich es selber erlebt, dass NHL-Spieler Drogen- oder Alkoholprobleme hatten. Aber weil alles so viel professioneller geworden ist, kannst du heute in dieser Liga nur noch eine richtig gute Rolle spielen, wenn du dein Leben nahezu komplett dem Eishockey unterordnest.
Aber weil die NHL nicht am internationalen Verband angeschlossen ist, gelten hier bezüglich Dopingkontrollen andere Regeln als beispielsweise bei der FIS. Was passiert, wenn ein Spieler positiv auf Kokain getestet wird?
Josi: Du wirst zwar nicht gesperrt, aber du bekommst eine Verwarnung. Im Wiederholungsfall wirst du in den Entzug geschickt. Im Schnitt werden wir im Jahr drei bis vier Mal kontrolliert.
Odermatt: Ich wurde im letzten Jahr ungefähr zehn Mal zu Hause und zwanzig Mal nach den Wettkämpfen kontrolliert. Vor ein paar Monaten habe ich diesbezüglich etwas ganz Besonderes erlebt!
Was?
Ich habe mich auf einen entspannten Abend mit meiner Freundin gefreut. Wir haben es uns vor dem Fernseher gemütlich gemacht, als es um 19.30 Uhr erstmals klingelte. Vor der Tür stand der Mann von Anti-Doping-Schweiz. Wenige Minuten nachdem ich meine Urinprobe abgegeben hatte, klingelte es schon wieder. Diesmal war es der Tester der internationalen Anti-Doping-Agentur. Weil ich innerhalb einer halben Stunde nicht zweimal Urin spenden konnte, gab ich eine Blutprobe ab.