Eine banale Frage, die sonst Small Talk einleitet. Bei Ihnen dominiert diese Frage im Moment Ihr Leben: Marco Büchel, wie geht es Ihnen heute?
Marco Büchel: Die Frage aller Fragen. Normalerweise sagst du einfach immer «gut». Du willst die Leute nicht damit belästigen, wenn es dir nicht gut geht. Heute ist ehrlich gesagt wieder ein nicht so guter Tag. Da ist dieser Nebel, so lässt sich das am besten umschreiben. Und ich habe Kopfschmerzen.
Wie sieht ein schlechter Tag aus?
Dann fühle ich mich, als hätte man mir den Stecker gezogen. Ich habe dann null Energie. Ich schaffe es kaum vom Bett auf die Couch. Dazu kommt der Tinnitus, der stört. Ich kann dann zwar lesen, kann aber den gelesenen Text nicht verarbeiten.
Was passiert in solchen Tagen im Kopf?
Ich fühle mich frustriert und hilflos. Bei einer Grippe weisst du, dass es in einer Woche überstanden ist. Im Fall von Long Covid gibt es keinen medizinischen Weg. Das macht dich fertig. Niemand kann mir sagen, wie es mit mir weitergeht. Die Ärzte machen mir Hoffnung: Mein Gesamtzustand lässt darauf schliessen, dass ich gute Chancen auf Heilung habe. Damit geht es mir viel besser als anderen Menschen, die kaum mehr positive Fortschritte erleben und nicht mehr aus dem Bett kommen.
Sie sind oder waren immer eine Frohnatur. Hilft das, die schlechten Tage zu ertragen?
Es hilft. Meine Mitmenschen können ja nichts dafür, dass ich leide. Ich kann mich abgrenzen, mich zurückziehen. Wenn ich arbeiten muss, ich mache Vorträge oder Wanderungen mit Kunden, dann muss ich mich manchmal schon sehr zusammenreissen, wenn mir eigentlich die Energie fehlt.
Das stelle ich mir unangenehm vor.
Und wie! Einmal hatte ich einen TV-Auftritt. Ich musste über Nachhaltigkeit im Skisport sprechen, ein komplexes Thema. Ich hatte den totalen Sturm im Kopf, konnte mich kaum gescheit artikulieren. Ich hatte Panik, dass ich die Wörter nicht mehr finde. Ich dachte einfach nur: «Jetzt reiss dich zusammen!» Irgendwie hab ich dieses Gespräch über die Bühne gebracht. Niemand hat etwas bemerkt, zum Glück.
Eine Grenzerfahrung der anderen Art. Wie können Sie sich körperlich belasten?
Als ehemaliger Athlet kenne ich meinen Körper sehr gut. Zum ersten Mal muss ich seine Grenzen akzeptieren. Ich darf auf keinen Fall in den roten Bereich gehen. Am Anfang wollte ich das nicht einsehen. Ich ging ans Limit, weils mir der «Grind» nicht zugegeben hat, dass ich nicht mehr kann. Das war schlimm: Danach war fünf Tage Game Over.
Sie haben die Diagnose als wichtigen Moment beschrieben. Wie lange ging es, bis Sie endlich wussten, was mit Ihnen los ist?
Es waren Monate. Schlimme Monate. Ich habe niemanden eingeweiht und hatte Angst, ich hätte etwas Schlimmes. Krebs oder so. Irgendwann las ich einen Artikel über einen Sportler mit Long Covid. Ich konnte hinter jedes Symptom einen Haken setzen. Ich habe meinen Sportarzt, Christian Schlegel, angerufen und die Phase der Abklärungen ging los. Ich konnte zum Glück zum Long-Covid-Experten Gregory Fretz in die Sprechstunde. Nach der Diagnose war ich einerseits erleichtert, dass es nichts Schlimmeres ist. Gleichzeitig wusste ich: Uff, das wird zäh.
Sie haben als Spitzensportler gelernt, durchzubeissen und auf den Punkt bereit zu sein. Oft sagt man, damit lerne man fürs Leben. Im Moment brauchen Sie aber eher Geduld. Wie gut sind Sie darin?
Schlecht. War ich immer schon. Das Leben stellt mich gerade auf eine Probe.
Sie sind und bleiben ein Optimist, das spürt man. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Forschung in diesem Thema weiterkommt. Nicht meinetwegen. Wegen all den Menschen, die viel mehr leiden. Long Covid ist gesellschaftlich und sogar volkswirtschaftlich ein Riesenproblem. Das sollten wir angehen. Für mich persönlich hoffe ich, dass ich wieder der Alte werde. Oder einfach: Dass es weiterhin aufwärts geht.