Dass Tanguy Nef ein für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich grosses Selbstvertrauen an den Tag legt, macht sich im November 2019 in einem Gespräch mit BLICK deutlich bemerkbar. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch keinen einzigen Top-Ten-Platz aus dem Weltcup auf dem Konto hat, orakelt der Sohn eines Universitäts-Professors und einer Ärztin während des Mittagessens am Genfersee mit breiter Brust: «Ich bin zuversichtlich, dass ich bei den Olympischen Spielen 2022 so weit sein werde, um dort eine Medaille zu gewinnen».
Mittlerweile hat sich der 24-Jährige, der am US-Dartmouth-Elite-College Informatik- und Wirtschaftswissenschaften studiert, bei vier Weltcup-Slaloms unter den besten acht klassiert. Am Sonntag verpasste Tanguy in Adelboden als Sechster seinen ersten Podestplatz um lediglich acht Hundertstel.
«Seine Skistellung ist noch zu breit»
«Bei Tanguy ist es wirklich nur noch eine Frage der Zeit, bis er vom Podium grüsst», glaubt der Walliser Slalom-Altmeister Didier Plaschy (47, zwei Weltcupsiege). Plaschy erkennt bei Nef, der sich fast ausschliesslich vegetarisch ernährt, aber auch noch ein grösseres Manko. «Tanguy weiss noch nicht, wann er den Tempomat einschalten muss. Wenn die Kurssetzung wie in Adelboden sehr schwierig ist, fährt er zwar mit Kopf. Aber in verhältnismässig einfachen Kursen überdreht er oft komplett und begeht entsprechend schwere Fehler.»
Deutschlands Slalom-Legende Felix Neureuther entdeckt bei der genauen Analyse von Nefs Läufen ein anderes, kleines Defizit: «Seine Skistellung ist oft noch ein bisschen zu breit, dadurch fährt er die etwas weiteren Wege.»
Neureuther ist grosser Fan
Neureuther gehört zu den grössten Fans von Tanguy Nef. Bayerns Slalom-König hat den jungen Schweizer im ersten Winter nach seinem Rücktritt beim nächtlichen Freigang kennengelernt.
«Ich habe im letzten Jahr am Freitagabend in Adelboden mit meinen früheren Trainern an einer Bar gesessen, als ein Bursche auf mich zugekommen ist, den ich zuerst gar nicht erkannt habe. Er hat mir dann gesagt, dass er der Tanguy Nef sei und am Sonntag im Slalom am Start stehen werde. Ich fand das super, dass ein Rennfahrer kurz vor einem so wichtigen Rennen ganz entspannt das Leben geniesst.»
Neureuther ist sich sicher, «dass Nef zu den Typen gehört, die in den heissesten Phasen besonders cool bleiben. Ich würde mir mehr Skirennfahrer wie Tanguy wünschen. Er ist wirklich ein super Typ.»
Heute strebt dieser «super Typ» eine Top-Platzierung beim Ersatzrennen für den Lauberhorn-Slalom an, welches auf der Hermann Maier-Piste in Flachau gestartet wird.