Auf einen Blick
- Niels Hintermann kämpft gegen Lymphdrüsenkrebs und bleibt optimistisch
- Trotz Chemotherapie treibt er weiterhin regelmässig Sport und bleibt aktiv
- Er hat bereits die Hälfte seiner Chemotherapie abgeschlossen
Vor exakt vier Wochen hat Niels Hintermann (29) eine Nachricht erhalten, die den kräftigen Weltklasse-Abfahrer schier umgehauen hat. «Ich sass im Auto, als ich den Anruf von meinem Vertrauensarzt Walter O. Frey erhalten habe. Er hat mir mitgeteilt, dass ich Lymphdrüsenkrebs habe. In diesem Moment hat sich mein Leben um 180 Grad gedreht», erinnert sich der Zürcher.
In der Zwischenzeit hat der Triumphator der letzten Weltcup-Abfahrt in Kvitfjell bereits die Hälfte seiner Chemotherapie hinter sich. Beim Mittagessen im Zürcher Niederdorf wirkt der 29-Jährige oberflächlich betrachtet nicht so, wie sich ein Laie einen Krebspatienten vorstellt. Hintermann sieht topfit aus, lacht viel und hat einen richtig grossen Appetit. Er bestellt eine währschafte Käseschnitte und ein alkoholfreies Bier.
Schüttelfrost, Gliederschmerzen und Metall-Geschmack
Nach ein paar kräftigen Bissen macht der 98-Kilo-Brocken aber klar, dass die Chemo auch an ihm nicht spurlos vorbeigeht. «Nach dem Start dieser Therapie habe ich mich gefühlt, wie in der Jetlag-Phase nach einer Nordamerikareise – ich hatte keine gröberen Beschwerden, war aber ständig müde. Aber in der letzten Woche ist es mir während ein paar Tagen körperlich ziemlich mies ergangen», erzählt Hintermann und betreibt Ursachenforschung: «Bei der Analyse meines Blutbildes haben die Ärzte einen Wert entdeckt, der zwar nicht alarmierend, aber etwas zu tief war. Deshalb habe ich ein zusätzliches Medikament erhalten, welches sehr wahrscheinlich in der Kombination mit den anderen Präparaten dazu geführt hatte, dass ich plötzlich Schüttelfrost und Gliederschmerzen hatte. Zudem hatte ich einen ganz komischen metallen-salzigen Geschmack im Mund.»
Diese Beschwerden sind mittlerweile abgeklungen. Die Käseschnitte schmeckt Hintermann wieder genau so, wie sie ihm vor der Erkrankung gemundet hat. Und deshalb schaut der Speed-Spezialist mit drei Einzelweltcupsiegen auf dem Konto der zweiten Chemohalbzeit mit viel Optimismus entgegen. «Wenn ich bedenke, dass ich zu Beginn der Therapie von den Ärzten einen dicken Katalog mit möglichen Nebenwirkungen erhalten habe, darf ich mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden sein. Meine Blutwerte sind aktuell tipptopp. Ich darf zusammenfassend sagen, dass alles planmässig verläuft.»
Viermal pro Woche auf dem Ergometer
Die Tatsache, dass Hintermann immer mehr Haare ausfallen, trübt seiner guten Laune beim Lunch in der Zürcher Altstadt keinen Abbruch, «schliesslich trage ich ja sowieso meistens eine Mütze und die Haare werden wieder nachwachsen.» Hintermann treibt auch in dieser Phase regelmässig Sport. «Logischerweise kann ich derzeit nicht so intensiv trainieren, wie ich das in einer normalen Saisonvorbereitung tue. Aber mit Ausnahme der letzten Woche habe ich mich seit dem Therapiebeginn viermal pro Woche für eineinhalb bis zwei Stunden auf den Ergometer gesetzt. Ich habe auch ein paar Krafttrainings absolviert.»
Hintermann möchte in diesem Winter auch das eine oder andere Weltcuprennen besuchen. «Ich würde im Dezember gerne nach Val Gardena reisen. Ob es mit dieser Reise klappt, hängt aber logischerweise vom Therapieverlauf ab.» Wir drücken ihm kräftig die Daumen.