Darum gehts
- Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann zieht positive Bilanz der Wintersaison
- Erfolge in allen Bereichen, besonders bei Alpinen und Freestyle
- Drei WM-Medaillen im Ski nordisch, bestes Ergebnis in der Geschichte
Blick: Urs Lehmann, bei den Männern sind die Speed-Disziplinen fest in Schweizer Hand. Neben Marco Odermatt sind mit Franjo von Allmen und Alexis Monney diese Saison zwei weitere Hochkaräter ganz vorne aufgetaucht. Gehts noch besser?
Urs Lehmann: Bei den Männern läuft es in allen Bereichen hervorragend bis brillant. Wir haben extrem Freude.
Wie hoch fliegen Sie als Chef der Ski-Nation Schweiz nach diesem Winter?
Dieser Winter war so intensiv wie noch keiner davor: sportlich erfolgreich bei den Alpinen, mit diesem unglaublichen Teamgeist bei den Männern, der sich an der WM in der lustigen Frisuren-Aktion gezeigt hat. Im Ski nordisch haben wir dank Nadine Fähndrich, Anja Weber und der Männer-Staffel drei WM-Medaillen geholt, unser bestes Ergebnis in der Geschichte. An der Freestyle-WM im Engadin haben wir den Medaillenspiegel gewonnen, zum ersten Mal in der Geschichte …
Sie sprechen Ski nordisch und die Freestyler an. Deren Medaillengewinner stehen im Schatten der Alpin-Stars Odermatt, Gut-Behrami und Co.
Ich stelle die sportlichen Leistungen von Mathilde Gremaud oder Nadine Fähndrich auf eine Stufe mit Lara Gut-Behrami. Es ist eine unglaubliche Leistung, Weltmeisterin im Slopestyle oder WM-Dritte im Langlauf-Sprint zu werden. Auch wenn sich das kommerziell nicht niederschlägt wie bei den Alpinen, die einfach populärer sind.
Urs Lehmann (56) fuhr früher selber im Ski-Weltcup. Der Aargauer krönte seine Karriere 1993 in Morioka mit dem Weltmeistertitel in der Abfahrt. Seit 2008 ist der Betriebswirt mit Doktortitel Präsident von Swiss-Ski. 2021 kandidierte er für das Präsidialamt des Internationalen Skiverbandes (FIS). Doch Nachfolger von Gian Franco Kasper wurde schliesslich Johan Eliasch. Lehmann ist mit der ehemaligen Freestyle-Weltmeisterin Conny Kissling verheiratet.
Urs Lehmann (56) fuhr früher selber im Ski-Weltcup. Der Aargauer krönte seine Karriere 1993 in Morioka mit dem Weltmeistertitel in der Abfahrt. Seit 2008 ist der Betriebswirt mit Doktortitel Präsident von Swiss-Ski. 2021 kandidierte er für das Präsidialamt des Internationalen Skiverbandes (FIS). Doch Nachfolger von Gian Franco Kasper wurde schliesslich Johan Eliasch. Lehmann ist mit der ehemaligen Freestyle-Weltmeisterin Conny Kissling verheiratet.
Tun Ihnen diese Athletinnen leid?
Das nicht. Aber wir versuchen ihnen mehr Rampenlicht zu geben, weil sie es verdient haben.
An der Heim-Biathlon-WM in der Lenzerheide blieben die ganz grossen Erfolge aus.
Im Biathlon haben wir in den letzten Jahren etwas aufgebaut, mit der WM als vorläufigem Höhepunkt. Mit Niklas Hartweg und Aita Gasparin hat ein Duo im Weltcup einen Sieg geholt. Da kommt etwas. Aber die Sportart hat durch die WM vor allem weitere Impulse gekriegt, die bis in die Regionen zu spüren sein werden und im Nachwuchs nach und nach Toptalente und Ergebnisse hervorbringen werden.
Wann haben wir im Biathlon den ersten Odermatt?
Mit Niklas Hartweg, Lena Häcki-Gross und Amy Baserga haben wir drei Topathleten, die vielleicht nicht gerade auf Odermatt-Stufe, aber auf sehr hohem Level sind. Odermatt ist eine Ausnahmeerscheinung, den gibt es nur einmal. Es gibt ja auch nur einen Roger Federer.
Swiss-Ski hat mit der Biathlon- und der Freestyle-WM diesen Winter zwei Grossanlässe organisiert, die hauptsächlich positiv aufgenommen wurden. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Rad-WM in Zürich, die permanent mit negativen Schlagzeilen kämpfte?
Ich nehme es als Kompliment, dass unsere beiden Anlässe positiv wahrgenommen wurden. Die Rad-WM ist für mich schwierig zu beurteilen, weil ich die Details nicht kenne. Man kann sich natürlich fragen, ob es schlau ist, den Kern der grössten Stadt der Schweiz für mehrere Tage für eine WM stillzulegen. Dass es gleichzeitig im Wirtschaftszentrum des Landes so schwierig sein soll, genügend Sponsoren zu finden, um schwarze Zahlen zu schreiben, dünkt mich erstaunlich. Aber es liegt mir fern, den Radsportlern zu sagen, was falsch gelaufen ist.
Die Austragung der Ski-WM 2027 in Crans-Montana stand auf der Kippe, weil sich Anwohner gegen eine neue Tiefgarage gewehrt haben, ohne die der ganze Event infrage gestellt worden wäre. Haben Sie da die Ärmel selber hochgekrempelt?
Als Präsident von Swiss-Ski und des organisierenden Vereins war ich sehr nahe dran. Ich sass zusammen mit FIS-Präsident Johan Eliasch am Tisch, als es darum ging, eine Lösung zu finden. Wir versuchen immer, so wenig Politik wie möglich in unseren Projekten zu haben – aber gleichzeitig so eng wie möglich mit den lokalen und kantonalen Instanzen zusammenzuarbeiten. Das hat in diesem Fall sehr gut funktioniert.
Eliasch und Sie gelten als Erzrivalen. Wie ist Ihr Verhältnis zum FIS-Präsidenten heute?
Wir verstehen uns im Moment gut.
Wie konnte das denn passieren?
Die Zentralvermarktung kommt. Da waren wir Schweizer zunächst nicht derselben Ansicht wie Eliasch, aber nachdem er auf unsere wichtigsten Forderungen eingegangen ist, hat Swiss-Ski wie die Mehrheit der FIS-Familie seine Lösung gewählt. Darum wollen wir einen konstruktiven Weg finden. Im Moment arbeiten wir sehr gut mit der FIS zusammen.
Glauben Sie, dass das so bleibt?
Einen Versuch ist es wert. Es hat viel mit Vertrauen zu tun. Wir müssen nicht um den heissen Brei herumreden: In den letzten Jahren ist viel Vertrauen verloren gegangen. Warten wir einmal ab. Ob das nachhaltig ist, kann man in einem halben Jahr sagen.
Bei den Alpin-Männern hängt der Himmel voller Geigen. Bei den Frauen sieht es nicht ganz so gut aus. Man ist stark von der Ü30-Generation um Wendy Holdener abhängig.
Das beschäftigt uns, ja. Aber Kummer macht mir das nicht. Wir haben das schon lange auf dem Schirm. Die Heim-WM 2027 ist für Michelle Gisin, Wendy Holdener, Corinne Suter und andere eine grosse Motivation, dabeizubleiben. Wir gehen davon aus, dass wir nach der WM eine Rücktrittswelle erleben werden. Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten.
Wie?
Wir bauen unsere Kader um. Im Europacup werden wir schon nächste Saison ein sehr breites Kader haben. Dann müssen die Athletinnen dort ihre nächsten Schritte machen: eine Delia Durrer zum Beispiel. Oder Malorie Blanc, die in diesem Winter bereits gezeigt hat, was sie draufhat. Wir haben noch zwei Jahre bis zu diesem Umbruch. Die Zeit drängt. Dessen sind wir uns bewusst.
Die Schweizer Speed-Männer sind auch schnell, weil wir die schnellsten Rennanzüge haben. Der Vorteil soll so gross sein, dass ausgerechnet die Österreicher jetzt die Reglemente ändern wollen, um uns zu stoppen.
Es ist ein Riesenkompliment, wenn du so gut bist, dass dich die anderen mit einer Regeländerung stoppen wollen.
Die Österreicher fordern Einheitsanzüge und argumentieren mit der Sicherheit.
Die Einheitsanzüge wären dicker und damit langsamer. Ich verstehe, dass man die Tempi senken möchte. Wir hatten und haben immer noch zu viele Verletzte im Skirennsport. Da könnte der Einheitsanzug eine entschärfende Komponente sein. Aber unsere lieben Kollegen denken nicht nur an die Sicherheit, wenn sie uns einbremsen wollen. Das versteht sich von selbst.
Wehren Sie sich gegen diesen Vorstoss?
Wir kämpfen natürlich für unseren Vorteil.
Apropos Anzüge: Im Skispringen gabs diesen Winter einen Skandal um die Anzüge der Norweger.
Im Skispringen hat man sich mit den Reglementen und Anzugskontrollen komplett verrannt. Da bin ich für einen Einheitsanzug.
Bei den Skispringern ist der 43-jährige Simon Ammann immer noch aktiv. Seine grössten Erfolge hat er längst hinter sich. Wann wirds peinlich?
Simon fasziniert mich bis heute. Wenn man mit ihm übers Skispringen redet, leuchten seine Augen immer noch wie am ersten Tag. Solange er die sportlichen Kriterien erfüllt, und das macht er, soll er dabei bleiben. Von mir aus kann Simi weitermachen, bis er 50 ist.
Sie planen also schon für Heim-Olympia 2038 mit ihm?
(Lacht.) Wenn ich es einem zutraue, dann ihm. Ich sage das ihm und allen anderen Athleten, die über ihren Rücktritt nachdenken: Du kannst nicht zu spät aufhören, nur zu früh. Es gibt viele, die zu früh aufgehört und es später bereut haben. Den Fehler soll er bloss nicht machen.