Andrea Ellenberger (28) wuchs gerade einmal 10 Kilometer von Marco Odermatt (24) entfernt auf. Er lebte in Buochs, sie in Hergiswil. Die beiden Nidwaldner kennen sich bestens, ihre Familien sind seit jeher gut befreundet. Ellenberger erinnert sich: «Als ich etwa 14 oder 15 war, hütete ich Marco ab und an. Er war immer sehr aufgestellt und nett. Und manchmal auch ein Lausbub.»
Seither sind mehr als zehn Jahre vergangen. Doch während Odermatt sein riesiges Ski-Potenzial ausschöpfte, wurde Ellenbergers Ski-Aufstieg jäh gestoppt. Jahrelang plagten sie höllische Rückenschmerzen, nur schon beim Treppensteigen kamen ihr die Tränen. Das Karriereende war zum Greifen nah. 2017 entschied sich Ellenberger für eine drastische Massnahme: Sie liess sich einen Rückenwirbel versteifen und eine Bandscheibe herausoperieren. Ans Skifahren dachte sie da nicht, sie wollte einfach ihr normales Leben zurück.
Der Eingriff funktionierte, sodass sich Ellenberger irgendwann entschied, die Ski wieder anzuschnallen. Sie schaffte den Anschluss, doch vor einem Jahr riss sie sich das linke Kreuzband. Ein Schock. Der Trainingsrückstand lässt sich nicht wegdiskutieren. Ihre Riesenslalom-Klassierungen in diesem Winter? 24, 12, 25, 19 – dazu ein Ausfall. Es läuft noch nicht rund. «Dabei bin ich gut in Form, aber ich bringe keine zwei konstante Läufe runter. Ich muss mich da durchbeissen», sagt sie.
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«Ich freue mich extrem für Marco»
Während Odermatt derzeit vor Selbstvertrauen strotzt, fehlt Ellenberger genau dieses. «Marco sagte mal, er wisse am Start gar nicht, was schiefgehen könnte. Mir kommen derzeit dagegen zehn Dinge in den Sinn», so die Technikerin. Klar, sie seien andere Typen – er wohl von Geburt an lockerer, sie dagegen zweifelnder. «Mir geht es nicht so ring von der Hand. Ich freue mich extrem für Marco und fiebere mit ihm mit. Es ist einfach cool, was er zeigt. Ich versuche, mir eine Scheibe von seiner Lockerheit abschneiden.»
Den nächsten Versuch unternimmt Ellenberger am Samstag in Kranjska Gora. Sie braucht noch eine Top-15-Klassierung, um sich das Ticket für Peking zu sichern. Es ist ihre zweitletzte Chance, danach steht nur noch der Riesenslalom von Kronplatz (25. Januar) auf dem Programm. «Peking habe ich überhaupt nicht im Hinterkopf. Mit meiner Vorgeschichte darf ich eine Olympia-Quali nicht erwarten. Schaffe ich es, super. Wenn nicht, geht die Arbeit genau gleich weiter.»