Sie ist nicht zu schlagen
Goggia schreibt ein Ski-Märchen mit blutender Hand

Sofia Goggia (30) schreibt in St. Moritz ein Märchen und gewinnt nach ihrer Hand-Operation die Abfahrt. Die Swiss-Ski-Athletinnen sind tief beeindruckt.
Publiziert: 17.12.2022 um 18:16 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2022 um 19:02 Uhr
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Die Hand ist von der Operation gezeichnet, doch Sofia Goggia lässt sich deswegen nicht verunsichern.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Mathias GermannReporter Sport

Im Zielraum von St. Moritz schütteln Hunderte den Kopf. «Wie hat sie das bloss gemacht?», fragen sich alle. Gemeint ist Sofia Goggia (30), die italienische Ski-Überfliegerin. Sie gewinnt, wie so oft, eine Abfahrt. Diesmal nicht im berühmten «Goggia-Style» – also wild, hasardierend, alles riskierend. Dafür mit gebrochener Hand. «Stimmt nicht», korrigiert sie, «gestern war sie gebrochen, jetzt ist sie wieder ganz.»

Was Goggia meint: Nachdem sie sich am Vortag bei der ersten Abfahrt verletzt hatte, fährt sie schnurstracks nach Mailand, um sich operieren zu lassen. «Im OP-Saal habe ich gesagt: ‹Wir machen dies, weil ich am Samstag gewinnen will.›» Die Ärzte fixieren die Brüche am zweiten und dritten Mittelhandknochen mit Schrauben und Platten.

Hählen: «Ich weiss nicht, wie sie das macht»

Spätabends kehrt Goggia ins Engadin zurück. Tags darauf fühlt sie sich nach dem Einfahren bereit für einen Start. Ihre Hand? Ist mit fluoreszierendem Band an den Stock geklebt. «Sie hat ziemlich geschmerzt.» Anschieben kann Goggia nicht, doch sie hat Glück, dass die Startpassage steil ist – nach sieben Sekunden hat sie 100 km/h auf dem Tacho.

Danach folgt das, was man von ihr kennt – Goggia lässt die Ski wie keine Zweite laufen. Doch was, wenn sie stürzt? Allein der Gedanke daran ist schlimm. «Leider konnte ich mich nicht bewegen, wie ich wollte», erzählt sie später, «aber es war genug für ein gutes Rennen.»

Joana Hählen (30), die an diesem Tag auf Rang 9 beste Schweizerin, staunt: «Ich weiss nicht, wie Sofia das macht. Sie kann sich wohl in einen Zustand bringen, wo ihr ziemlich alles egal ist.» Als Goggia im Zielraum ihren Handschuh auszieht, ist ein grosser, roter Punkt auf dem Verband zu erkennen. Auch die Finger sind mit Blut verschmiert – offensichtlich lief es während des Rennens aus der Wunde. Nach ihrem Sieg sagt Goggia: «Ich habe das Gefühl, in einem Film zu sein. Was mit mir und um mich herum in den letzten 24 Stunden passiert ist, ist wie Hollywood.» Mit Happy End, notabene.

«Sowas schafft nur Goggia»

Die Schweizerinnen bleiben im Kampf um das Podest für einmal chancenlos, Hählen (9.) fehlen 77 Hundertstel aufs Treppchen, Jasmine Flury (10.) macht zu viele kleine Fehler, Lara Gut-Behrami (12.) verliert im Flachen viel Zeit, Corinne Suter (14.) verschlägt es oft die Ski und Michelle Gisin (15.) fehlt die Lockerheit. Immerhin: Gut-Behrami freut sich auf den Super-G auf der Corviglia – sie gewann ihn bereits letztes Jahr. «Das wird eine andere Geschichte als heute», so die Tessinerin.

Allen Schweizerinnen gemein ist die Bewunderung für Goggia. Gisin meint: «In ihrer Situation wäre ich nicht gestartet. Ich schaffe es ja nicht einmal, so wie sie zu riskieren, wenn ich gesund bin. Es ist unglaublich.» Suter erklärt, sie würde vor ihr den Hut ziehen, wenn sie einen dabei hätte. Und Flury meint: «Andere, auch ich, bräuchten nach einem solchen Vorfall zwei oder drei Rennen, um wieder Selbstvertrauen aufzubauen. Sowas schafft nur Sofia.»

Übrigens: Goggia wohnt mit dem italienischen Team derzeit im Hotel Schloss in Pontresina. Für die Königin der Abfahrt ist es die passende Unterkunft.

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